Wo die coolen Kerle wohnen
sagen kann, ob Patchwork-Familien das Glücksmodell der Zukunft sind oder ob die Beteiligten sich selbst, ihren Ex- und Neupartnern sowie den diversen Kindern nicht doch mehr zumuten, als sie tragen können und vielleicht wahrhaben wollen.
Neue Formen des gemeinsamen Lebens, Liebens und Leidens sind noch nicht etabliert, und sie sind, weil Erfahrungswerte fehlen, auch noch nicht ausreichend erforscht.
Wer heute zwischen 40 und 60 Jahre alt ist, lebt also zwischen den Stühlen, in der unbequemen Position zwischen Tradition und – ja, was eigentlich? – einem noch undefinierten Lebensraum, einem weit verbreiteten Experiment, bei dem noch nicht einmal die Versuchsanordnung verbindlich vereinbart ist. Ein Spiel mit vielen Unbekannten.
Wir haben unser Erwachsenenleben meist noch nach dem Vorbild unserer Eltern angetreten, als die Männer die Familienernährer mit sicheren Arbeitsplätzen waren, die ihr gesamtes Berufsleben oft in einer einzigen Firma zubrachten; als Männer und Frauen zusammenblieben, selbst wenn ihr Eheleben längst zum Schlachtfeld oder zur öden Wüste geworden war. Man arrangierte sich. Wegen der Kinder, wegen des Papstes, wegen des Hauses, wegen anderer finanzieller Abhängigkeiten, wegen der Nachbarn oder einfach, weil »man« das eben so machte.
Viele von uns tragen das alte Konzept »bis dass der Tod euch scheidet« als moralisches Muster und als romantisches Rührstück in sich, und sie lasten es sich als persönliches Versagen an, wenn sie es nicht mehr schaffen, danach zu leben. – »In unserer Familie hat sich noch keiner scheiden lassen!«
Es ist ja auch keineswegs nur eine persönliche Familientradition, sondern sogar gesetzlich in unserer Gesellschaft verankert: Nach deutschem Recht gilt die Ehe als lebenslange Institution, die laut Artikel 6 des Grundgesetzes besonderen Schutz genießt und nur durch den Tod, durch Aufhebung der Ehe (falls die Eheschließung fehlerhaft war) oder durch eine Scheidung beendet werden kann.
Wenn es dann um klare, auch rechtlich »saubere« Entscheidungen in Beziehungsfragen geht, sind die Frauen seit Jahren eindeutig die treibende Kraft: Im Jahr 2010 wurden wieder über die Hälfte aller Scheidungen von den Frauen eingereicht: 52,9 Prozent. Männer stellten nur 38,9 Prozent der Scheidungsanträge, die restlichen wurden gemeinsam gestellt.
Ab einem Alter von 50 Jahren gehen sogar 80 Prozent der Scheidungen von den Frauen aus. Dass sie entschlussfreudiger sind, mag daran liegen, dass Frauen meist mehr Erfahrung damit haben, ihr Innenleben zu erkunden und sich darüber auszutauschen. Das heißt, sie spüren und wissen präziser, was sie sich wünschen, und können deshalb auch genauer definieren und benennen, was ihnen fehlt.
Männer sind zwar auch unzufrieden in ihren Ehen, das Gefühl bleibt aber meist diffus, da es ihnen eher liegt, nach außen zu leben und zu wirken, zielgerichtet Leistung zu erbringen und »nicht lange zu fackeln«. Gefühle nehmen Männer häufiger als Störfaktoren wahr, die ihre Handlungsfähigkeit einschränken könnten. Deshalb geben sie ihnen ungern Raum, schieben sie lieber beiseite oder lassen sie irgendwo im Nebel: Nur nicht hinschauen! Darauf sind sie von kleinauf gepolt, und damit hatten sie bislang Erfolg.
Männer bleiben gern in dem gewohnten und bequemen Rahmen der Ehe kleben.
Wenig geübt sind Männer üblicherweise darin, in sich hineinzuhorchen, womöglich gar ihr Beziehungsverhalten zu reflektieren oder ihre Gefühle in Worte zu fassen. Oft wissen sie selbst nicht, wie es ihnen eigentlich geht, und reagieren auf entsprechende Fragen mit Angst und Hilflosigkeit – weshalb sie Problemgesprächen, die ihre Frauen wünschen oder einfordern, gern ausweichen oder aufbrausend darauf reagieren. Männer halten sich da lieber mit kleinen Fluchten schadlos (Arbeit, Hobby, Liebschaften, Fernsehen, Internet, Alkohol), bleiben zugleich aber – innerlich und oft auch äußerlich abwesend – gern in dem gewohnten und bequemen Rahmen der Ehe kleben. Für Frauen ist das weder nachvollziehbar noch akzeptabel. Sie ziehen häufiger die Konsequenz und sagen: Schluss, aus, Trennung, Scheidung.
So habe auch ich übrigens gehandelt und viele der Frauen aus meinem Umkreis, die ebenfalls mit ihren Männern nicht mehr klarkamen, wenn diese sich wie die wilden Kerle aufführten, zugleich aber nicht deutlich ausdrückten, was sie selbst eigentlich wollten, und die Bequemlichkeiten des Ehe- und Familienlebens nicht (ganz) missen wollten:
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