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Wo die coolen Kerle wohnen

Wo die coolen Kerle wohnen

Titel: Wo die coolen Kerle wohnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Friedmann
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Da legte einer sich eine 30 Jahre jüngere Geliebte zu, mietete für sie eine kleine, feine Wohnung, drängte Ehefrau und Kinder, diese Nebenbeziehung doch einfach zu akzeptieren, und sorgte – obwohl längst im Opa-Alter – noch einmal für Nachwuchs mit der Jüngeren. Ein anderer entdeckte, dass er eigentlich schwul war, und feierte sein Coming-out. Am liebsten hätte er das gemeinsam mit der ganzen Familie und seinem neuen Freund getan. Da kündigte einer mit Mitte vierzig seinen Lehrerjob, um, bis auf wenige Tage im Monat, die er noch bei seiner Familie verbrachte, in einer Landkommune zu leben. Wieder ein anderer ließ sich die Haare wachsen wie in den Hippie-Zeiten der 1970er, knotete sich ein Lederband um die Stirn, kaufte, anstelle von Weihnachtsgeschenken für die Familie, ein Motorrad, mit dem er ab sofort jedes Wochenende übers Land donnerte; und statt mit der Familie zu verreisen, fuhr er zu Pow Wows nach Kanada, zu den rituellen Treffen der Indianer Nordamerikas …
    Sich richtig auseinandersetzen, sich abkoppeln, ein neues, eigenständiges Leben beginnen, eine offizielle Trennung oder Scheidung – das wollten alle diese Männer jedoch nicht.
    Männergeschichten
    Mit den Eingeborenen des Midlife-Männer-Landes ins Gespräch zu kommen war natürlich auch für mich als Journalistin nicht ganz so einfach wie mit meinen Geschlechtsgenossinnen. In der Kneipe hätte ich jedenfalls mit keinem fremden Mannein Gespräch über seine Orientierungslosigkeit, seine Depressionen, seine Versagensängste, Erektionsstörungen, Beziehungsprobleme, Ausbruchs- oder Liebeswünsche anzetteln mögen. Das hätte sicherlich zu massiven Missverständnissen geführt. Lieber fragte ich vorsichtig bei Freunden und Bekannten an, ob sie selbst zu einem Gespräch bereit wären, und verließ mich ansonsten auf die Vermittlung von Fachleuten, etwa Leiter von Männergruppen, Therapeuten und natürlich auf meinen im ersten Kapitel bereits erwähnten Bruder.
    Die Männer, die sich dann zu einem Gespräch mit mir bereitfanden, waren zwischen 45 und 63 Jahre alt. Die meisten um die 50. Und fast alle erzählten rückblickend von ihren schwierigsten, unruhigsten Zeiten. Ausdrücklich betonten sie, dass sie vor ein paar Jahren, in der Situation selbst, nicht über sich hätten Auskunft geben können und wollen. Sie seien damals komplett verwirrt gewesen, zwischen Ausbruchslust und Depression, zwischen Veränderungswünschen und Existenzangst.
    Zu dem Zeitpunkt, als wir miteinander sprachen, hatten sie also schon einen weiten und beschwerlichen Weg hinter sich – eine Abenteuerreise in ihr eigenes Innenleben. Das Schlimmste hatten sie bereits überstanden, die größten Hürden genommen.
    Was mich anfangs übrigens nervte, worüber ich mich aber ab dem vierten Interview köstlich amüsieren konnte – sogar gemeinsam mit den Männern: Ausnahmslos alle erklärten mir, sie seien zwar gern zum Gespräch bereit, wollten aber vorausschicken, dass sie mit Sicherheit kein typischer Midlife-Mann wären. Das klang dann so: »Also bei mir trifft das Klischee nicht zu«; »ich bin sicherlich nicht repräsentativ für meine Altersgruppe«; »bei mir war das eine ganz individuelle Geschichte«; »mein spezieller Fall liegt völlig anders«; »ich passe bestimmt nicht ins Bild«. Außerdem hielten sie sich allesamt für wesentlich jugendlicher, fitter, geistig beweglicher und jünger aussehend als ihre Altersgenossen.
    Als erste Forschungsergebnisse konnte ich also festhalten: Es ist anscheinend typisch für den Midlife-Mann, dass er auf gar keinen Fall als typisch gelten möchte. Und: Offenbar weiß der Mann dieser Generation immer noch sehr wenig von anderen Männern. Denn hätten sich meine Gesprächspartner mit ihren Geschlechts-, Alters- und Leidensgenossen ausgetauscht, wüssten sie, dass sie mitnichten Einzelfälle sind, sondern dass die anderen ganz ähnlich ticken. Auf dieses Thema kommen wir in einem späteren Kapitel noch einmal zurück. (Kapitel 6, Männerfreundschaften? Fehlanzeige! siehe S. 153.)
    Im Verlauf der Interviews war ich schlicht beeindruckt von dem Mut und der Offenheit, mit der diese coolen Kerle über sich und ihre Lebens- und/oder Beziehungskrise sprachen. Solche Geschichten kannte ich bisher nur aus der Sicht von Frauen. Jetzt kommen also einmal die Männer zu Wort.
    Gernot
    Gernot ist 52, hat drei Kinder und ist geschieden. »Mit 44 hatte ich meine schwerste Zeit«, erzählt er. »Ich war damals beruflich extrem eingespannt

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