Wo die Nacht beginnt
du bestimmt Sarah und Emily an deiner Seite haben.«
»Aber Matthew«, protestierte ich. »Wir können noch nicht heimkehren. Ich weiß nicht wie.«
Er sah mich ungläubig an.
»Em hat es uns vor unserer Abreise erklärt. Um in der Zeit zurück zuwandern, braucht man drei Objekte, die einen an den gewünschten Ort bringen. Um vorwärts zureisen, muss man hexen können, aber ich kenne keine Zauberformeln. Deswegen sind wir schließlich hergekommen.«
»Du kannst das Baby unmöglich hier austragen.« Matthew schoss aus seinem Stuhl hoch.
»Auch im 16. Jahrhundert haben Frauen Kinder bekommen«, belehrte ich ihn nachsichtig. »Außerdem fühle ich mich nicht anders als sonst. Ich bin höchstens ein paar Wochen schwanger.«
»Wirst du kräftig genug sein, sie und mich in die Zukunft zurückzutragen? Nein, wir müssen so bald wie möglich aufbrechen, lange bevor sie geboren wird.« Matthew blieb unvermittelt stehen. »Und wenn eine Zeitwanderung dem Fötus schadet?«
»Es hat sich nichts geändert«, versuchte ich ihn zu beruhigen. »Das Baby kann kaum größer als ein Reiskorn sein. Und hier in London dürfte es nicht allzu schwer sein, jemanden zu finden, der mir hilft, meine Magie zu verstehen – und erst recht jemanden, der mehr Ahnung vom Zeitwandern hat als Sarah und Em.«
»Sie ist so groß wie eine Linse.« Matthew verstummte. Er überlegte kurz und fasste dann einen Entschluss. »In den ersten sechs Wochen vollziehen sich die wichtigsten Entwicklungsschritte im Fötus. Damit müsstest du genug Zeit haben.« Er klang wie ein Arzt, nicht wie ein Vater. Allmählich begann ich Matthews vormoderne Tobsuchtsanfälle seiner modernen kühlen Objektivität vorzuziehen.
»Und wenn ich sieben Wochen brauche?« Wäre Sarah mit im Zimmer gewesen, hätte sie ihn gewarnt, dass mein sachlicher Tonfall kein gutes Zeichen war.
»Sieben Wochen gingen gerade noch«, antwortete Matthew gedankenverloren.
»Ach, da bin ich aber froh. Ich möchte nichts überstürzen, schließlich geht es um etwas so Wichtiges wie herauszufinden, wer ich eigentlich bin.« Ich baute mich vor ihm auf.
»Diana, das ist nicht …«
Wir standen uns Auge in Auge gegenüber. »Ich kann unmöglich eine gute Mutter werden, solange ich nicht weiß, welche Kräfte in meinem Blut fließen.«
»Das ist vielleicht nicht gut für …«
»Wehe, du sagst jetzt, dass das nicht gut für das Kind sein könnte. Ich bin keine Gebärmaschine.« Jetzt war ich richtig in Fahrt. »Erst wolltest du mein Blut für deine wissenschaftlichen Experimente, und jetzt geht es dir nur um das Baby.«
Matthew stand, verflucht noch mal, schweigend vor mir, mit verschränkten Armen und kalten grauen Augen.
»Also?«, wollte ich wissen.
»Also was? Offensichtlich ist meine Beteiligung an diesem Gespräch nicht erwünscht. Du bringst meine Sätze sowieso zu Ende. Da kannst du sie auch gleich beginnen.«
»Das hat nichts mit meinen Hormonen zu tun«, fuhr ich ihn an. Zu spät begriff ich, dass allein diese Behauptung für das Gegenteil sprach.
»Hättest du das nicht gesagt, wäre mir der Gedanke gar nicht gekommen.«
»Das hat aber anders geklungen.«
Seine Braue wanderte nach oben.
»Ich bin noch derselbe Mensch wie vor drei Tagen. Eine Schwangerschaft ist keine Krankheit, und sie ändert nichts daran, weshalb wir hier sind. Wir hatten noch nicht einmal Gelegenheit, nach Ashmole 782 zu suchen.«
» Ashmole 782 ?« Matthew schnaubte ungeduldig. »Alles hat sich geändert, und du bist keineswegs derselbe Mensch. Wir können diese Schwangerschaft nicht ewig geheim halten. In wenigen Tagen wird jeder Vampir die Veränderungen in deinem Körper riechen. Bald danach wird Kit sie bemerken, und er wird sich fragen, wer wohl der Vater ist – schließlich kann ich es nicht sein, oder? Jede Kreatur in dieser Stadt wird sich daran stören, dass eine schwangere Hexe mit einem Wearh zusammenlebt. Vielleicht schwärzt uns jemand bei der Kongregation an. Mein Vater wird fordern, dass wir sicherheitshalber nach Sept-Tours zurückkehren, und ich würde es nicht ertragen, noch einmal Abschied nehmen zu müssen.« Bei jedem Satz war er lauter geworden.
»Das hatte ich mir nicht überlegt …«
»Nein«, fiel Matthew mir ins Wort. »Natürlich nicht. Wie solltest du auch. Jesus, Diana. Bis jetzt haben wir beide in einer verbotenen Ehe zusammengelebt. Das ist kaum einzigartig. Jetzt trägst du mein Kind unter dem Herzen. Das ist nicht nur einzigartig – andere Kreaturen halten das für
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