Wo die Nacht beginnt
unmöglich. Noch drei Wochen, Diana. Und keinen Tag mehr.« Er blieb unnachgiebig.
»Vielleicht findest du so schnell keine Hexe, die uns helfen will«, beharrte ich. »Nicht nach den Ereignissen in Schottland.«
»Wer sagt, dass sie wollen muss?« Bei Matthews Lächeln lief es mir eisig den Rücken hinab.
»Ich gehe in den Salon und lese.« Ich drehte mich zum Schlafzimmer um, weil ich so weit wie möglich von ihm weg sein wollte. Er war vor mir an der Tür und verwehrte mir mit einem Arm den Durchgang.
»Ich will dich nicht verlieren, Diana«, erklärte er ruhig, aber mit Nachdruck. »Nicht weil du meinst, nach einem alchemistischen Buch suchen zu müssen und auch nicht wegen eines ungeborenen Kindes.«
»Und ich will nicht mich selbst verlieren«, gab ich zurück. »Ganz bestimmt nicht, um deinen Kontrollwahn zu befriedigen. Ob dir das passt oder nicht, ich werde herausfinden, wer ich bin.«
Am Montag saß ich wieder im Salon, las in der Feenkönigin und langweilte mich fast um den Verstand, als die Tür ging. Besuch. Begeistert klappte ich das Buch zu.
»Ich glaube nicht, dass mir je wieder warm wird.« Walter stand tropfnass in der Tür. George und Henry, die ihn begleiteten, sahen nicht weniger elend aus.
»Einen guten Tag, Diana.« Henry nieste und begrüßte mich dann mit einem formvollendeten Kratzfuß, bevor er an den Kamin eilte und seine Finger stöhnend den Flammen entgegenstreckte.
»Wo ist Matthew?«, fragte ich und bot George einen Sessel an.
»Der ist mit Kit zusammen. Wir haben die beiden bei einem Buchhändler gelassen.« Walter deutete in Richtung St. Paul’s. »Ich sterbe vor Hunger. Das Stew, das Kit zum Mittagessen bestellt hat, war ungenießbar. Matt meinte, Françoise würde uns etwas zu essen bereiten.«
Die Burschen waren beim zweiten Teller und beim dritten Becher Wein, als Matthew schließlich mit Kit heimkehrte, den Arm voller Bücher und mit üppiger Gesichtsbehaarung, die er sich bei einem jener Zauberbarbiere besorgt hatte, von denen ich so oft gehört hatte. Der gezwirbelte Schnurrbart meines Mannes passte zu seinem breiten Mund, und der Kinnbart war modisch schmal und wohlgeformt. Pierre folgte den beiden, beladen mit einem Leinenbeutel voller Bücher.
»Gott sei Dank«, kommentierte Walter Matthews Bart mit einem wohlgefälligen Nicken. »Endlich seht Ihr wieder wie Ihr selbst aus.«
»Hallo, mein Herz.« Matthew gab mir einen Kuss auf die Wange. »Erkennst du mich?«
»Schon – obwohl du wie ein Pirat aussiehst«, antwortete ich lachend.
»Es stimmt, Diana. Er und Walter sehen aus wie Brüder«, gab Henry zu.
»Warum besteht Ihr darauf, Diana mit Vornamen anzusprechen, Henry? Ist Mistress Roydon inzwischen Euer Mündel? Ist sie nunmehr Eure Schwester? Die einzige andere Erklärung wäre, dass Ihr sie zu verführen plant«, grummelte Marlowe und ließ sich in einen Stuhl fallen.
»Bemüht Euch ein wenig um Manieren, Kit«, schalt ihn Walter.
»Ich habe ein paar verspätete Weihnachtsgeschenke für dich«, sagte Matthew und schob die Bücher aus dem Leinenbeutel in meine Richtung.
»Danke.« Es war ein bisschen verstörend, dass sie sich so neu anfühlten – die frischen Bindungen protestierten knarrend dagegen, zum ersten Mal geöffnet zu werden, sie rochen noch nach Papier und scharfer Tinte. Ich war es gewohnt, solche Bände zerlesen in einem Bibliothekslesesaal vorzufinden, nicht auf dem Esstisch. Der oberste Band war ein leeres Notizbuch, um das zu ersetzen, das noch in Oxford lag. Darunter lag ein wunderschön gebundenes Gebetbuch. Das reich verzierte Titelblatt war mit der lagernden Gestalt des biblischen Patriarchen Isai illustriert. Aus seinem Bauch spross ein ausladender Baum. Ich runzelte die Stirn. Warum hatte Matthew mir wohl ein Gebetbuch gekauft?
»Du musst umblättern«, drängte er, die Hand schwer und still auf meinem Rücken.
Auf der Rückseite war ein Holzschnitt der im Gebet knieenden Königin Elisabeth abgedruckt. Seite um Seite war mit Skeletten, biblischen Gestalten und klassischen Tugenden verziert. Das Werk glich den illustrierten alchemistischen Abhandlungen, die ich gewöhnlich studierte.
»Es ist genau die Art von Buch, die eine anständige verheiratete Frau besitzen sollte«, erklärte Matthew grinsend. Er senkte verschwörerisch die Stimme. »Das sollte dein Bedürfnis, den Schein zu wahren, befriedigen. Aber keine Angst. Das nächste Buch ist ganz und gar nicht anständig.«
Ich legte das Gebetbuch beiseite und griff nach dem
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