Wo die Nacht beginnt
Schottland geradezu genossen. Als Mitglied der Kongregation betrachtete ich Sampsons Tod als annehmbaren Preis, wenn dadurch der Status quo erhalten blieb. Aber jetzt …«
»Jetzt bist du mit einer Hexe verheiratet«, sagte ich. »Das ändert alles.«
»Ja, ich bin gefangen zwischen dem, was ich früher glaubte, und dem, was mir jetzt das Wichtigste ist, zwischen dem, was ich einst als unumstößliche Wahrheit verteidigte, und dem, was plötzlich ungewiss und unklar ist.«
»Ich gehe gleich wieder in die Stadt«, erklärte Pierre und wandte sich zur Tür. »Vielleicht gibt es noch mehr Neuigkeiten.«
Ich sah in Matthews müdes Gesicht. »Du kannst nicht erwarten, alle Tragödien des Lebens zu verstehen, Matthew. Ich wünschte mir auch, wir hätten das Baby behalten können. Und ich weiß, dass es im Moment nicht den Anschein hat, aber noch glaube ich nicht, dass es keine Zukunft für uns gibt – eine, in der unsere Kinder und unsere Familie sicher sind.«
»Eine so frühe Fehlgeburt deutet fast immer auf eine genetische Anomalie hin, durch die der Fötus nicht lebensfähig ist. Wenn das einmal passiert ist …« Seine Stimme versagte.
»Es gibt genetische Anomalien, die dem Baby nicht schaden«, wandte ich ein. »Nimm mich zum Beispiel.« Ich war eine Schimäre mit nicht zueinanderpassender DNA .
»Ich könnte es nicht ertragen, noch ein Kind zu verlieren, Diana. Das … das könnte ich einfach nicht.«
»Ich weiß.« Ich war todmüde und sehnte mich genauso wie er nach dem erlösenden Vergessen, das ich im Schlaf finden würde. Ich hatte mein Kind nie so kennengelernt, wie er Lucas gekannt hatte, trotzdem war der Schmerz unerträglich. »Ich muss heute Abend um sechs bei Goody Alsop sein.« Ich sah ihn an. »Bist du dann wieder mit Kit unterwegs?«
»Nein«, antwortete Matthew leise. Er presste seine Lippen auf meine – kurz und melancholisch. »Ich werde dich begleiten.«
Matthew hielt Wort und brachte mich zu Goody Alsops Haus, bevor er mit Pierre in den Golden Gosling weiterzog.
Die Stimmung unter den Hexen war feierlich. Heute war ein großer Tag für sie. Meine Tante Sarah hätte sich genau eingeprägt, wie Susanna und Marjorie den heiligen Kreis vorbereiteten. Einige der verwendeten Substanzen und Gegenstände waren mir vertraut – wie das Salz, das sie auf den Dielen verstreuten, um den Raum zu reinigen –, andere hingegen nicht. Sarahs Hexenausrüstung bestand aus zwei Messern (einem mit schwarzem und einem mit weißem Griff), dem Zauberbuch der Bishops und verschiedenen Kräutern und Pflanzen. Elisabethanische Hexen brauchten wesentlich mehr Objekte für ihren Zauber, darunter auch Besen. Ich hatte noch nie eine Hexe mit einem Besen gesehen, außer an Halloween, wo Besen ebenso unverzichtbar waren wie die spitzen Hüte.
Jede der Hexen aus dem Zirkel von Garlickhythe brachte einen ganz eigenen Besen mit in Goody Alsops Haus. Marjories bestand aus einem Kirschzweig. Oben am Stiel hatte jemand Zeichen und Symbole eingekerbt. Statt der üblichen Borsten hatte Marjorie getrocknete Zweige und Kräuter ans untere Ende gebunden, wo sich der Ast in dünnere Zweige aufspaltete. Sie erklärte mir, dass sie die Kräuter für ihre Magie brauchte – Odermennig, um mögliche Bannzauber zu brechen, gekräuseltes Fieberkraut mit den gelb-weißen Blüten als Schutzmittel, kräftige Rosmarinzweige mit blaugrünen Nadeln für Reinheit und Klarheit. Susannas Besen bestand aus Ulmenholz, das für die verschiedenen Lebensphasen von der Geburt bis zum Tod stand und auf ihren Beruf als Hebamme verwies. Auch sie hatte Pflanzen an den Stiel gebunden: die fleischigen grünen Blätter des Aaronstabes zur Heilung, kleine Beinwell-Blütenköpfe als Schutz, spitze Kreuzkrautblätter für die Gesundheit.
Marjorie und Susanna fegten das Salz gewissenhaft im Uhrzeigersinn, bis die feinen Körner über jeden Zentimeter des Bodens gewandert waren. Das Salz würde den Raum nicht nur reinigen, erklärte mir Marjorie, sondern ihn auch erden, damit meine Kräfte, wenn sie erst gelöst waren, nicht in die Welt hinaustrieben.
Goody Alsop versiegelte die Fenster, die Türen – und sogar den Kamin. Die Hausgeister wurden vor die Wahl gestellt, entweder zwischen den Dachsparren auszuharren oder vorübergehend bei der Familie ein Stockwerk tiefer Zuflucht zu suchen. Weil die Geister auf keinen Fall etwas verpassen wollten und außerdem ein bisschen neidisch auf Goody Alsops lebende Schattenfrau waren, die keine Wahl hatte, als bei
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