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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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ich etwas Schweres. Ich senkte den Blick und erwartete, einen Wassereimer zu sehen. Stattdessen hielt ich einen Pfeil in der Hand. Hexenfeuer. Wozu brauchte ich noch mehr Feuer?
    »Nein, Diana! Versucht auf keinen Fall, den Zauber zu lenken!«, warnte Goody Alsop mich.
    Ich schüttelte den Gedanken an Flüsse und Regen ab. Sobald ich das geschafft hatte, setzte mein Instinkt ein, und meine Arme hoben sich wie von selbst, dann zog sich meine rechte Hand zurück, und sobald mein Griff sich löste, flog der Pfeil ins Herz des Baumes. Die Flammen schossen so schnell in die Höhe, dass ich geblendet die Augen zukniff. Die Hitze erstarb, und als ich wieder sehen konnte, fand ich mich auf einem Berggipfel unter einem unermesslichen Sternenhimmel wieder. Ein riesiger Sichelmond hing tief am Horizont.
    »Ich habe auf dich gewartet.« Die Stimme der Göttin war kaum mehr als ein Windhauch. Sie war in weiche Gewänder gekleidet, und das Haar fiel ihr in breiten Wellen über den Rücken. Sie trug keine ihrer üblichen Waffen, dafür tappte ein großer Hund an ihrer Seite. Er war so groß und schwarz, dass es ein Wolf hätte sein können.
    »Du.« Eine dunkle Vorahnung schnürte mir das Herz ab. Seit ich das Kind verloren hatte, hatte ich die Göttin erwartet. »Hast du mein Kind genommen, um mich für Matthews Rettung bezahlen zu lassen?« Meine Frage klang halb zornig, halb verzweifelt.
    »Nein. Diese Schuld ist beglichen. Ich habe bereits ein anderes Leben genommen. Ein totes Kind nützt mir nichts.« Die Augen der Jägerin waren grün wie die ersten Weidenschösslinge im Frühling.
    Mir gefror das Blut in den Adern. »Wessen Leben hast du dann genommen?«
    »Deines.«
    »Meines?«, fragte ich wie betäubt. »Bin ich … tot?«
    »Natürlich nicht. Die Toten gehören mir nicht. Ich halte mich an die Lebenden.« Inzwischen war die Stimme der Jägerin durchdringend und klar wie ein Mondstrahl. »Du hast versprochen, dass ich mir jeden – alles – nehmen könnte, wenn ich dir dafür das Leben deines Geliebten lasse. Ich habe dich gewählt. Und ich habe noch manches mit dir vor.«
    Die Göttin trat einen Schritt zurück. »Du hast mir dein Leben geschenkt, Diana Bishop. Jetzt ist die Zeit gekommen, es zu nutzen.«
    Ein Schrei über uns machte mir bewusst, dass die Feuerdrachin über uns kreiste. Ich blickte nach oben und versuchte sie im Mondlicht auszumachen. Ich blinzelte und sah im nächsten Moment ihren Umriss vor Goody Alsops Zimmerdecke. Schlagartig war ich wieder im Haus der Hexe und nicht mehr mit der Göttin auf einem kahlen Hügel. Der Baum war verschwunden, ein kleiner Aschehaufen lag auf dem Boden. Ich blinzelte noch einmal.
    Die Feuerdrachin erwiderte mein Blinzeln. Ihr Blick erschien mir traurig und vertraut – schwarz mit einer silbernen Iris. Mit einem heiseren Aufschrei löste sie ihre Klauen. Der Ast fiel in meine Arme. Er fühlte sich an wie der Schaft des Pfeils, schwerer und massiver, als seine Größe vermuten ließ. Die Feuerdrachin schnaubte nickend Rauch aus ihren Nüstern. Ich war versucht, den Arm nach oben zu recken und sie zu berühren, weil ich zu gern gewusst hätte, ob ihre Haut warm und weich war, aber etwas sagte mir, dass ihr das nicht gefallen würde. Und ich wollte sie nicht erschrecken. Womöglich würde sie sich dann aufbäumen und mit dem Kopf durch das Dach brechen. Nach dem Baum und dem Feuer machte ich mir schon genug Sorgen um Goody Alsops Haus.
    »Danke«, flüsterte ich.
    Die Feuerdrachin reagierte mit einem leisen Stöhnen aus Feuer und Gesang. Ihre uralten, weisen silberschwarzen Augen betrachteten mich, und ihr Schwanz zuckte nachdenklich hin und her. Sie dehnte die Schwingen weit und schloss sie dann um ihren Leib, um sich gleich darauf in nichts aufzulösen.
    Von der Feuerdrachin blieb nichts zurück als ein Kitzeln in meinen Rippen, das mir verriet, dass sie irgendwie in mir steckte und dort wartete, bis ich sie brauchte. Niedergedrückt vom Gewicht dieses Untiers sackte ich in die Knie, und der Ast fiel zu Boden. Die Hexen kamen zu mir geeilt.
    Goody Alsop erreichte mich als Erste, schlang die dünnen Arme um meinen Leib und drückte mich. »Das habt Ihr gut gemacht, Kind, das habt Ihr gut gemacht«, flüsterte sie. Elizabeth formte ihre Hand zu einem Gefäß und verwandelte sie mit ein paar Worten in eine flache, mit Wasser gefüllte Silberschale. Ich trank ein paar Schlucke, und als die Schale leer war, verwandelte sie sich zurück in eine Hand.
    »Das ist ein großer Tag,

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