Wo die Nacht beginnt
Pentakelknoten. »Ist Knoten Nummer fünf gewebt, heißt das, dass die Formel lebt.«
Die Feuerdrachin senkte sich von der Decke und presste die Schwingen gegen meine Rippen.
Wirst du bei mir bleiben?, fragte ich sie lautlos.
Die Feuerdrachin spann mich in einen dünnen grauen Kokon, der das Schwarz meiner Röcke und meiner Jacke dämpfte und es zu einem tiefen Kohlegrau abschwächte. Ysabeaus Ring funkelte weniger kräftig, und das Feuer im Herzen des Diamanten verglomm. Selbst die silberne Schnur in meinem Schoß wirkte fleckig. Die stumme Antwort der Feuerdrachin ließ mich lächeln.
»Mit dem Knoten Nummer sechs ist die Formel festgehext«, sagte ich. Der letzte Knoten war nicht so symmetrisch, wie ich es mir gewünscht hätte, aber er hielt.
»Ihr seid wahrhaftig eine Weberin, Kind«, sagte Goody Alsop aufatmend.
Auf dem Heimweg fühlte ich mich in meinem Feuerdrachenschleier wunderbar unauffällig, aber sobald ich die Schwelle des Hart and Crown überschritten hatte, erwachte ich wieder zum Leben. Dort erwarteten mich ein Paket und Kit. Für meinen Geschmack verbrachte Matthew immer noch eindeutig zu viel Zeit mit dem unsteten Dämon. Marlowe und ich tauschten einen kühlen Gruß aus, und ich wollte gerade das Päckchen aufreißen, als Matthew wie ein Löwe zu brüllen begann.
»Allmächtiger!« Wo gerade noch leerer Raum gewesen war, stand jetzt Matthew und starrte ungläubig auf ein Stück Papier.
»Was will der alte Fuchs denn diesmal?«, fragte Kit säuerlich und rammte seine Feder in einen Tintentopf.
»Ich habe eben eine Rechnung von Nicholas Vallin, dem Goldschmied hier in der Straße, erhalten«, erklärte Matthew finster. Ich sah unschuldig zu ihm auf. »Er hat mir fünfzehn Pfund für eine Mausefalle in Rechnung gestellt.« Jetzt, wo ich wusste, was man für ein Pfund alles kaufen konnte – und dass Marys Zofe Joan im ganzen Jahr nur fünf Pfund verdiente –, begriff ich, warum Matthew so entsetzt war.
»Ach. Das.« Ich beugte mich wieder über das Paket. »Ich habe ihn gebeten, sie anzufertigen.«
»Ihr habt Euch von einem der teuersten Goldschmiede in London eine Mausefalle machen lassen?« Kit sah mich fassungslos an. »Falls Ihr noch mehr Geld zu verschleudern habt, Mistress Roydon, werdet Ihr mir hoffentlich erlauben, für Euch ein alchemistisches Experiment durchzuführen. Ich werde Silber und Gold in Wein verwandeln, und zwar in der Schenke an der Ecke!«
»Es ist eine Rattenfalle, keine Mausefalle«, rechtfertigte ich mich halblaut.
»Dürfte ich diese Rattenfalle einmal sehen?« Matthew klang verdächtig ruhig.
Ich zerriss das Packpapier und streckte ihm den fraglichen Artikel hin.
»Aus vergoldetem Silber. Und mit Gravur«, stellte Matthew fest und drehte die Falle in seiner Hand. Nach einem genaueren Blick fluchte er gleich noch einmal. » Ars longa, vita brevis. Die Kunst währt lange, das Leben kurz. Wie wahr.«
»Sie soll sehr effektiv sein.« Mit den zwei fein gearbeiteten Ohren am Scharnier und den zwei großen eingravierten Augen in der Querstrebe ähnelte Monsieur Vallins kunstvoller Entwurf einer wachsamen Katze. Die Klappe der Falle glich einem Maul mit tödlichen Zähnen. Ein bisschen erinnerte mich das Ganze an Sarahs Katze Tabitha. Vallin hatte noch ein witziges Detail hinzugefügt und eine silberne Maus auf die Schnauze der Katze gesetzt. Das winzige Tierchen hatte nichts mit den gelbzähnigen Monstern gemein, die durch unseren Speicher huschten. Die bloße Vorstellung, wie sie sich durch Matthews Papiere fraßen, während wir ein Stockwerk tiefer schlummerten, ließ mich schaudern.
»Sieh da. Er hat auch den Boden graviert«, sagte Kit, nachdem er dem Reigen von tanzenden Mäusen unten an der Falle gefolgt war. »Das ist die zweite Hälfte von Hippokrates’ Aphorismus – und noch dazu in Latein. Occasio praeceps, experimentum periculosum, iudicium difficile.«
»Vielleicht ein bisschen sentimental, wenn man bedenkt, wozu dieses Gerät dient«, gab ich zu.
»Sentimental?« Matthews Brauen zuckten hoch. »Wenn man eine Ratte ist, klingt das durchaus realistisch: Die Gelegenheit ist kurz, das Experiment gefährlich und das Urteil schwierig.« Seine Mundwinkel zuckten.
»Vallin hat Euch übervorteilt, Mistress Roydon«, tönte Kit. »Ihr solltet die Zahlung verweigern, Matt, und die Falle zurückschicken.«
»Nein!«, protestierte ich. »Er kann nichts dafür. Wir sprachen über Uhren, und Monsieur Vallin zeigte mir einige schöne Stücke. Daraufhin zeigte
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