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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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wenigen Zaubersprüchen, die ich aufsagen konnte, ohne dass ich sofort in Schwierigkeiten kam, von den merkwürdigen Geschehnissen, kurz nachdem ich Matthew kennengelernt hatte. Falls es in alldem ein Muster gab, entzog es sich mir, doch Goody Alsop schickte mich mit der Versicherung nach Hause, dass sie bald einen Plan geschmiedet haben würden.
    Ich schleppte mich nach Baynard’s Castle. Mary packte mich in einen Sessel und ließ sich nicht von mir helfen, sondern bestand darauf, dass ich mich ausruhte, während sie analysierte, was mit unserem Klumpen prima materia schiefgelaufen war. Er war zu schwarzem Matsch zerflossen, auf dem ein dünner grüner Schleimfilm trieb.
    Während Mary arbeitete, begannen meine Gedanken zu wandern. Es war ein sonniger Tag, und ein Sonnenstrahl schnitt durch die rauchige Luft und fiel auf das Wandgemälde mit dem alchemistischen Drachen. Ich beugte mich in meinem Sessel vor.
    »Nein«, sagte ich. »Das kann nicht wahr sein.«
    Aber es war so. Der Drache war kein gewöhnlicher Drache, denn er hatte nur zwei Beine. Es war ein Feuerdrache, der seinen gespaltenen Schwanz im Maul hielt, genau wie der Uroboros auf dem Banner der de Clermonts. Der Feuerdrache hatte den Kopf zum Himmel erhoben und trug einen Sichelmond zwischen den Zähnen. Darüber erhob sich ein vielzackiger Stern. Matthews Emblem. Wieso war mir das nicht früher aufgefallen?
    »Was ist denn, Diana?«, fragte Mary stirnrunzelnd.
    »Würdet Ihr etwas für mich tun, Mary, selbst wenn es eine merkwürdige Bitte ist?« Noch bevor sie darauf antworten konnte, löste ich das Seidenband von meinen Handgelenken.
    »Natürlich. Was braucht Ihr denn?«
    Der Feuerdrache ließ glänzende Blutstropfen in das alchemistische Gefäß unter seinen Schwingen fallen. Dort trieb das Blut in einem See aus Quecksilber und Silber.
    »Ich möchte, dass Ihr mein Blut nehmt und es in eine Lösung aus aqua fortis , Silber und Quecksilber gebt«, sagte ich. Marys Blick wanderte von mir zu dem Feuerdrachen und wieder zurück. »Denn was ist unser Blut anderes als Feuer und Wasser, ein Gemisch von Gegensätzen, eine chemische Hochzeit?«
    »Wie Ihr wünscht, Diana.« Mary klang verwirrt, stellte aber keine weiteren Fragen.
    Ich schnippte selbstbewusst mit dem Finger über der Narbe an meinem Unterarm. Diesmal brauchte ich kein Messer. Die Haut teilte sich, so wie ich es vorhergesehen hatte, und das Blut quoll aus der Wunde, einfach weil ich es so haben wollte. Joan kam mit einer kleinen Schüssel herbeigeeilt, um die rote Flüssigkeit aufzufangen. An der Wand über uns folgten die silberschwarzen Augen des Feuerdrachen den fallenden Tropfen.
    » Es beginnt mit Mangel und Verlangen, es beginnt mit Blut und Angst«, flüsterte ich.
    Es begann mit einem Hexenfund, antwortete die Zeit in einem archaischen Echo, unter dem die wandernden blauen und bernsteingelben Stränge vor den Steinmauern erglühten.

24
    W ird er irgendwann damit aufhören?« Die Hände in die Hüften gestemmt stand ich da und starrte stirnrunzelnd an Susannas Zimmerdecke.
    » Sie , Diana. Eure Feuerdrachin ist weiblich«, sagte Catherine. Sie blickte ebenfalls zur Decke, allerdings viel versonnener.
    »Sie. Er. Das da.« Ich deutete nach oben. Ich hatte einen Spruch zu weben versucht, und dabei war mein Drache aus seinem Gefängnis in meiner Brust ausgebrochen. Wieder einmal. Jetzt hing sie an der Decke, atmete Rauchwolken aus und klapperte aufgeregt mit den Zähnen. »Es geht nicht, dass er – sie – im Zimmer herumfliegt, wann immer ihr danach ist.« Wenn sie in Yale unter meinen Studenten herumflog, drohten ernste Konsequenzen.
    »Dass Eure Drachin sich befreit, deutet lediglich auf ein viel ernsteres Problem hin.« Goody Alsop reichte mir ein Bündel grellbunter Seidenschnüre, die an einem Ende zusammengeknotet waren. Die anderen Enden hingen lose herab wie der Schmuck eines Maibaums. Es waren insgesamt neun dünne Schnüre in verschiedenen Schattierungen von Rot, Weiß, Schwarz, Silber, Gold, Grün, Braun, Blau und Gelb. »Ihr seid eine Weberin und müsst lernen, Eure Kräfte zu beherrschen.«
    »Das ist mir durchaus bewusst, Goody Alsop, aber ich verstehe trotzdem nicht, inwiefern mir dieses … bunte Stickgarn dabei helfen soll«, widersprach ich eigensinnig. Meine Drachin krächzte zustimmend, war in diesem Moment klarer zu sehen und löste sich gleich darauf wieder in ihre typischen rauchartigen Umrisse auf.
    »Und was wisst Ihr über das Leben einer Weberin?«, fragte

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