Wo die Nacht beginnt
schnaubte Walter, der, ohne anzuklopfen oder eine Aufforderung die Tür aufgestoßen hatte und in den Raum getreten war. Henry Percy war an seiner Seite. Sobald ein Mitglied der Schule der Nacht sich im Umkreis von einer Meile rund um das Hart and Crown befand, wurde es unwiderstehlich an unseren Herd gezogen. »Euer Dämonenfreund führte Dr. Dee jahrelang an der Nase herum. Wenn Ihr mich fragt, kann Dee froh sein, dass er ihn losgeworden ist!« Walter griff nach der Rattenfalle. »Was ist das denn?«
»Die Göttin der Jagd wendet sich inzwischen kleinerer Beute zu«, erklärte Kit grinsend.
»Also das ist ganz eindeutig eine Mausefalle. Aber warum sollte jemand so töricht sein, eine Mausefalle aus Silber und Gold anzufertigen?«, fragte Henry, der sich über Walters Schulter gebeugt hatte. »Sieht mir ganz nach einer Arbeit von Nicholas Vallin aus. Er hat für Essex eine wirklich schöne Uhr gefertigt, als der zum Ritter des Hosenbandordens geschlagen wurde. Ist das ein Kinderspielzeug?«
Eine Vampirfaust krachte auf den Tisch und ließ das Holz splittern.
»George«, presste Matthew hervor, »erzähl uns endlich von Dr. Dee.«
»Ach so. Ja. Natürlich. Viel gibt es nicht zu erzählen. Ich habe getan, worum Ihr mich gebeten hattet«, stammelte George. »Erst klapperte ich alle Bücherstände ab, aber dort war nichts zu erfahren. Ich hörte, es sei ein Band über griechische Poesie zu kaufen, der mir für meine Übersetzung große Dienste leisten könnte – aber ich schweife ab.« George schluckte und verstummte. »Witwe Jugge meinte, ich solle mit John Hester sprechen, dem Apotheker an St. Paul’s Wharf. Hester schickte mich zu Hugh Plat – Ihr kennt den Winzer, der in St. James Garlickhythe wohnt.« Ich folgte dem komplizierten intellektuellen Pilgerweg, so gut ich konnte, weil ich hoffte, Georges Route nachgehen zu können, wenn ich Susannas Haus das nächste Mal einen Besuch abstattete. Vielleicht waren sie und Plat Nachbarn.
»Plat ist genauso schlimm wie Will«, bemerkte Walter halblaut. »Dauernd schreibt er Dinge nieder, die ihn nichts angehen. Der Bursche wollte sogar wissen, wie meine Mutter ihre Kuchen bäckt.«
»Master Plat erzählte mir, dass Dr. Dee ein Buch aus der kaiserlichen Bibliothek besitze. Kein Mensch könne es lesen, und es sei voller merkwürdiger Bilder«, erläuterte George. »Plat sah es, als er bei Dr. Dee Rat in einer alchemistischen Angelegenheit suchte.«
Matthew und ich sahen uns an.
»Es wäre möglich, Matthew«, sagte ich leise. »Elias Ashmole hat nach Dr. Dees Tod alles aufgespürt, was von dessen Bibliothek übrig geblieben war, und er interessierte sich besonders für alchemistische Werke.«
»Dees Tod. Und wie kam der gute Doktor zu Tode, Mistress Roydon?« Marlowes Stimme war so sanft wie der Druck seiner braunen Augen. Henry, der Kits Frage nicht gehört hatte, mischte sich ein, bevor ich darauf antworten musste.
»Ich werde ihn bitten, mir das Buch zu zeigen«, verkündete er unter entschiedenem Nicken. »Bestimmt ist das auf meinem Rückweg nach Richmond und zur Königin leicht einzurichten.«
»Ich weiß nicht, ob Ihr das Buch erkennen werdet, Hal.« Matthew tat ebenfalls so, als hätte er Kit nicht gehört. »Ich komme mit.«
»Du hast es auch noch nie gesehen.« Ich schüttelte den Kopf und hoffte dabei, Marlowes bohrenden Blick abzuschütteln. »Außerdem will ich auf jeden Fall mitkommen, falls wir John Dee einen Besuch abstatten.«
»Du brauchst mich nicht so wütend anzusehen, ma lionne. Ich weiß sehr gut, dass du um nichts in der Welt daheimbleiben würdest. Nicht wenn es um Bücher und einen Alchemisten geht.« Matthew hob mahnend den Finger. »Aber keine Fragen. Verstanden?« Er hatte erlebt, welche magischen Katastrophen sich daraus entwickeln konnten.
Ich nickte, aber ich hatte in den Falten meines Rockes die Finger gekreuzt, in jener uralten Geste, mit der sich alle bösen Folgen abwehren lassen, wenn man die Wahrheit verdreht.
»Mistress Roydon soll keine Fragen stellen?«, murmelte Walter. »Da wünsche ich dir viel Glück, Matt.«
Mortlake war ein kleiner zwischen London und Elisabeths Palast in Richmond gelegener Weiler an der Themse. Wir reisten in der Barke des Earl of Northumberland, einem prachtvollen Gefährt mit acht Ruderern, gepolsterten Sitzen und Vorhängen, um die Brise abzuhalten. Es war eine weitaus angenehmere – und vor allem friedvollere – Art zu reisen als die inzwischen gewohnte, bei der Gallowglass an den
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