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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Riemen saß.
    Wir hatten einen Brief geschickt und Dee von unserem geplanten Besuch unterrichtet. Mrs Dee, erläuterte Henry umsichtig, hieß es nämlich nicht gut, wenn Gäste unangemeldet auftauchten. Obwohl ich ihr das nachfühlen konnte, war es doch eher ungewöhnlich für eine Zeit, in der Besuchern praktisch alle Türen offenstanden.
    »Der Haushalt ist dank Dr. Dees Forschungen etwas … irregulär«, erklärte Henry unter dezentem Erröten. »Und sie haben eine phänomenale Anzahl an Kindern. Darum geht es oft ein wenig … chaotisch zu.«
    »So chaotisch, dass sich schon Dienstboten in den Brunnen gestürzt haben«, bemerkte Matthew spitz.
    »Ja. Das war wirklich bedauerlich. Ich glaube nicht, dass so etwas während unseres Besuchs passieren wird«, murmelte Henry.
    Mich interessierte es nicht, wie der Haushalt geführt wurde. Wir standen kurz davor, so viele Fragen beantworten zu können: Warum alle dieses Buch haben wollten, ob es uns mehr darüber verriet, wie wir Kreaturen entstanden waren. Und natürlich glaubte Matthew, dass es erhellen könnte, warum die nichtmenschlichen Kreaturen in der Moderne auszusterben drohten.
    Vermutlich um seiner herumtobenden Brut aus dem Weg zu gehen, spazierte Dr. Dee in seinem eingemauerten Garten herum, als wäre es Hochsommer und nicht Ende Januar. Er trug die schwarze Robe eines Gelehrten, und eine enge Kapuze schmiegte sich, gekrönt von einer flachen Kappe, über sein Haupt und um seinen Hals. Ein langer weißer Bart zierte sein Kinn, und er hatte die Hände auf dem Rücken verschränkt, während er langsam durch den kahlen Garten wandelte.
    »Dr. Dee?«, rief Henry über die Mauer.
    »Lord Northumberland! Ich hoffe doch, Ihr seid bei guter Gesundheit?« Dees Stimme klang ruhig und rau, obwohl er sich (wie fast jeder) bemühte, für Henry lauter zu sprechen. Er zog seine Kappe und verbeugte sich.
    »Ganz annehmbar für diese Jahreszeit, Dr. Dee. Aber wir sind nicht meiner Gesundheit wegen hier. Ich habe Freunde mitgebracht, wie ich Euch in meinem Brief erklärte. Darf ich sie Euch vorstellen?«
    »Dr. Dee und ich kennen uns bereits.« Matthew schenkte Dee ein Wolfslächeln und verbeugte sich tief. Er kannte so gut wie jedes eigentümliche Geschöpf dieser Epoche. Warum nicht auch Dr. Dee?
    »Master Roydon«, antwortete Dee misstrauisch.
    »Dies ist meine Gemahlin Diana.« Matthew nickte zu mir her. »Sie ist mit der Countess of Pembroke befreundet und assistiert der Gräfin bei ihren alchemistischen Bemühungen.«
    »Die Countess of Pembroke und ich haben in alchemistischen Fragen korrespondiert.« Dee hatte mich sofort vergessen und war in Gedanken bei seinen eigenen Verbindungen zu einem der führenden Köpfe in dieser Disziplin. »In Eurer Nachricht schriebt Ihr, Ihr wolltet eines meiner Bücher sehen, Lord Northumberland. Seid Ihr in Lady Pembrokes Auftrag hier?«
    Ehe Henry ihm antworten konnte, trat eine Frau mit spitzem Gesicht und breiten Hüften aus dem Haus, sie war in ein dunkelbraunes, mit Pelz besetztes Kleid gekleidet, das schon bessere Tage gesehen hatte. Sie wirkte gereizt, entdeckte dann den Earl of Northumberland und setzte hastig ein falsches Lächeln auf.
    »Und das ist meine liebe Gemahlin«, erklärte Dee leicht verlegen. »Der Earl of Northumberland und Master Roydon sind soeben eingetroffen, Jane«, rief er ihr zu.
    »Warum bittest du sie denn nicht ins Haus?«, schalt ihn Jane und rang nervös die Hände. »Sie werden glauben, wir sind nicht auf Besuch vorbereitet, dabei sind wir das natürlich, und zwar jederzeit. Viele suchen den Rat meines Gemahls, Mylord.«
    »Natürlich. Genau das führt auch uns hierher. Wie ich sehe, befindet Ihr Euch bei guter Gesundheit, Mistress Dee. Und wie Master Roydon mir berichtete, erwies selbst die Königin Eurem Haus jüngst die Ehre eines Besuches.«
    Jane erstrahlte. »O ja. John hat Ihre Majestät seit November schon dreimal gesehen. Bei den letzten beiden Malen trafen wir sie zufällig am äußeren Tor, als sie auf der Straße nach Richmond ritt.«
    »Ihre Majestät war dieses Weihnachten äußerst großzügig«, sagte Dee. Er drehte nervös die Kappe in seinen Händen. Jane sah ihn säuerlich an. »Wir hatten gedacht … aber das tut nichts zur Sache.«
    »Köstlich, köstlich«, sagte Henry schnell und rettete Dee damit aus der womöglich peinlichen Situation. »Aber genug geplaudert. Wir würden gern ein ganz bestimmtes Buch sehen …«
    »Die Bibliothek meines Mannes genießt größere

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