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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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ebenfalls einen Schluck Wein und stellte den Becher dann auf den Tisch. Er fuhr sich müde übers Gesicht. »Was für ein Besucher?«
    »William Cecil saß am Kamin, als ich nach Hause kam.«
    Matthew wurde unheilverheißend still.
    »Er ist einer der unheimlichsten alten Männer, die mir je begegnet sind«, fuhr ich fort und griff wieder nach dem Kelch. »Burghley sieht mit seinen grauen Haaren und dem langen Bart vielleicht aus wie der Weihnachtsmann, aber ich würde ihm lieber nicht den Rücken zukehren.«
    »Sehr klug«, bemerkte Matthew leise. Er sah Françoise an. »Was wollte er?«
    Sie zuckte mit den Achseln. »Das weiß ich nicht. Er war schon da, als ich mit der Fleischpastete für Madame nach Hause kam. Lord Burghley bat um ein Glas Wein. Doch der Dämon hatte alles ausgetrunken, was im Hause war. Darum ging ich neuen holen.«
    Matthew verschwand. Er kehrte entspannter und sichtbar erleichtert zurück. Ich sprang auf. Der Speicher – und die vielen Geheimnisse, die dort lagerten.
    »Hat er …«
    »Nein«, fiel Matthew mir ins Wort. »Alles ist genau so, wie ich es zurückgelassen habe. Hat William gesagt, was er wollte?«
    »Lord Burghley lässt dir ausrichten, dass er hier war.« Ich zögerte. »Und er hat mir geraten, die Stadt zu verlassen.«
    Annie betrat den Raum, gefolgt von einem plappernden Jack und einem grinsenden Pierre, aber schon beim ersten Blick in Matthews Gesicht löste sich Pierres Lächeln in Luft auf. Ich nahm Annie die Leintücher ab.
    »Nimm die Kinder doch mit in den Cardinal’s Hat, Françoise«, schlug ich vor. »Pierre geht auch mit.«
    »Hussa!«, freute sich Jack krähend über den in Aussicht gestellten Abend außer Haus. »Master Shakespeare bringt mir bestimmt das Jonglieren bei.«
    »Solange er nicht versucht, deine Schreibkünste zu verfeinern, habe ich nichts dagegen einzuwenden«, kommentierte ich und fing Jacks Hut auf, den er in die Luft geworfen hatte. Dass Jack auch noch lernte, fremde Ideen zu stehlen, hätte uns gerade noch gefehlt. »Viel Spaß beim Abendessen. Und versuch, nicht zu vergessen, wozu du ein Taschentuch hast.«
    »Bestimmt nicht«, sagte Jack und wischte mit dem Ärmel über seine Nase.
    »Warum ist Lord Burghley extra bis nach Blackfriars gekommen, nur um dich zu sehen?«, fragte ich, als wir alleine waren.
    »Weil ich heute Neuigkeiten aus Schottland erfahren habe.«
    »Und jetzt?«, fragte ich und schluckte schwer. Es war nicht das erste Mal, dass jemand in meiner Gegenwart über die Hexen von Berwick sprach, aber irgendwie hatte ich nach Burghleys Besuch das Gefühl, dass das Böse allmählich über unsere Türschwelle kroch.
    »König James verhört die Hexen weiter. William wollte wissen, wie – und ob – die Königin darauf reagieren soll.« Er witterte die Veränderung in meinem Geruch, als sich die Angst festsetzte, und zog die Stirn in Falten. »Zerbrich dir nicht den Kopf über das, was in Schottland passiert.«
    »Es passiert auch, wenn ich die Augen davor verschließe.«
    »Und genauso, wenn du hinsiehst«, sagte Matthew und versuchte mit sanften Fingern, die Spannung aus meinem Nacken zu massieren.
    Am nächsten Tag kehrte ich mit einem kleinen hölzernen Zauberkästchen von Goody Alsop zurück – einem Behältnis, in dem ich meine niedergeschriebenen Formeln reifen lassen sollte, bis andere Hexen sie verwenden konnten. Einen Weg zu finden, wie ich meine Magie in Worte fassen konnte, war der nächste Schritt meiner Entwicklung zur Weberin. Im Moment lagen nur meine Webschnüre in dem Kästchen. Marjorie glaubte nicht, dass andere Hexen meine Tarnformel bereits benutzen konnten.
    Ein Hexenmeister an der Thames Street hatte das Kästchen aus dem Ast gefertigt, den mir die Drachin an jenem Abend geschenkt hatte, an dem ich meine Leitformel gefunden hatte. In das Holz hatte er einen Baum geschnitzt, dessen Wurzeln und Äste so ineinander verwoben waren, dass man sie nicht mehr auseinanderhalten konnte. Kein einziger Nagel hielt die Holzstücke zusammen. Stattdessen waren sie durch fast unsichtbare Fugen verbunden. Der Hexenmeister war stolz auf seine Arbeit, und ich konnte es kaum erwarten, sie Matthew zu zeigen.
    Im Hart and Crown war es eigenartig still. Im Salon brannten weder Kerzen noch das Feuer im Kamin. Matthew saß allein in seiner Stube. Drei Weinkrüge standen vor ihm auf dem Tisch. Zwei davon waren vermutlich leer. Normalerweise trank Matthew nicht so viel.
    »Was ist los?«
    Er griff nach einem Blatt Papier. Dickes, rotes

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