Wo die Nacht beginnt
sich der Earl of Essex zurück, aber nicht ohne Walter einen letzten giftigen Blick zuzuschießen. Alle hasteten ihm nach. Draußen würde Essex der wichtigste Mensch sein, und so suchten die übrigen Höflinge seine Nähe wie die Motten das Licht. Nur Henry schien nicht gehen zu wollen, aber auch ihm blieb nichts anderes übrig. Hinter ihnen fielen die Türen entschieden ins Schloss.
»Habt Ihr Euren Besuch bei Dr. Dee genossen, Mistress Roydon?«, fragte die Königin scharf. Jede Leichtigkeit war aus ihrer Stimme verschwunden. Jetzt ging es ums Geschäft.
»Das haben wir, Eure Majestät«, antwortete Matthew.
»Ich weiß wohl, dass Eure Gemahlin für sich selbst sprechen kann, Master Roydon. Lasst sie nur.«
Matthews Miene verfinsterte sich, aber er verstummte.
»Er war höchst angenehm, Eure Majestät.« Ich hatte eben mit Königin Elisabeth gesprochen. Meine Ehrfurcht unterdrückend, fuhr ich fort: »Ich bin eine Studentin der alchemistischen Künste und interessiere mich für alles, was es darüber zu lesen und zu lernen gibt.«
»Ich weiß, was Ihr seid.«
Um mich herum blitzte die Gefahr in einem Gewitter schwarzer, schnalzender und heulender Stränge auf.
»Ich bin Eure treue Dienerin, Eure Majestät, genau wie mein Gemahl.« Ich hielt den Blick eisern auf die Schuhe der Königin gerichtet. Zum Glück waren sie nicht weiter interessant und erwachten nicht ungebeten zum Leben.
»Ich habe genug Höflinge und Schmeichler um mich, Mistress Roydon. Mit dieser Bemerkung werdet Ihr Euch keinen Platz unter ihnen verdienen.« Ihre Augen blitzten unheilverheißend. »Nicht alle meine Spione berichten Eurem Gemahl. Sagt an, Schatten, was hattet Ihr mit Dr. Dee zu schaffen?«
»Es handelte sich um eine Privatangelegenheit.« Matthew konnte seinen Zorn nur mit Mühe zügeln.
»So etwas gibt es nicht – nicht in meinem Reich.« Elisabeth studierte Matthews Gesicht. »Ihr selbst habt mir geraten, meine Geheimnisse keinem anzuvertrauen, dessen Treue Ihr nicht auf die Probe gestellt habt«, fuhr sie gefährlich ruhig fort. »Und meine Vertrauenswürdigkeit werdet Ihr doch nicht infrage stellen wollen.«
»Es war eine Privatangelegenheit, die nur Dr. Dee und mich betraf, Madam«, wiederholte Matthew störrisch.
»Wie Ihr wollt, Master Roydon. Da Ihr entschlossen seid, Euer Geheimnis für Euch zu behalten, werde ich Euch eröffnen, was ich mit Dr. Dee zu schaffen habe. Vielleicht löst Euch das ja die Zunge. Ich will, dass Edward Kelley nach England zurückkehrt.«
»Ich glaube, es heißt inzwischen Sir Edward, Eure Majestät«, verbesserte Burghley dezent.
»Von wem habt Ihr das gehört?«, wollte Elisabeth wissen.
»Von mir«, mischte sich Matthew freundlich ein. »Schließlich ist es meine Aufgabe, derlei zu wissen. Wozu braucht Ihr Kelley?«
»Er weiß, wie man den Stein der Weisen herstellt. Und ich werde nicht dulden, dass ihn die Habsburger in die Hände bekommen.«
»Davor also habt Ihr Angst?« Matthew klang erleichtert.
»Ich habe Angst, dass ich sterben könnte und dass sich Spanien und Frankreich und Schottland danach um mein Königreich raufen wie ein Rudel Hunde um einen Knochen.« Elisabeth stand auf und kam auf ihn zu. Je näher sie kam, desto deutlicher wurde, wie klein und schmächtig sie im Vergleich zu ihm war. Es war ein Wunder, dass eine so kleine Frau entgegen alle Wahrscheinlichkeit so viele Jahre überlebt hatte. »Ich habe Angst, was aus meinem Volk wird, wenn ich nicht mehr bin. Jeden Tag bete ich um Gottes Beistand, England vor der sicheren Katastrophe zu retten.«
»Amen«, war Burghley zu vernehmen.
»Edward Kelley ist keinesfalls Gottes Antwort, das verspreche ich Euch.«
»Jeder Herrscher, der den Stein der Weisen besitzt, wird über einen unerschöpflichen Vorrat an Reichtümern verfügen.« Elisabeths Augen funkelten. »Hätte ich mehr Gold, könnte ich die Spanier auslöschen.«
»Und wenn Wünsche Drosseln wären, würden die Bettler Vögel essen«, erwiderte Matthew.
»Hütet Eure Zunge, Roydon«, warnte Burghley ihn.
»Ihre Majestät will sich in gefährliche Gewässer begeben, Mylord. Es ist auch meine Aufgabe, sie davor zu warnen.« Matthew blieb absichtlich förmlich. »Edward Kelley ist ein Dämon. Wie Walter bezeugen kann, bewegt er sich bei seinen alchemistischen Experimenten gefährlich nah an der Grenze zur Magie. Die Kongregation unternimmt alles, um zu verhindern, dass sich Rudolfs Faszination für das Okkulte zum Gefährlichen wendet wie bei König
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