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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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durchgemacht hatte.
    Matthew sah mich wieder an und gab mir mit einer kurzen Kopfbewegung zu verstehen, dass er alles unter Kontrolle hatte. Ich hauchte ihm einen Kuss zu und kehrte in das warme Federnest unseres Bettes zurück.
    Am nächsten Tag ließ uns der Kaiser eine Nachricht zukommen. Sie war mit mehreren Bändern und einem fetten Wachssiegel verschlossen.
    »Das Bild hat Wirkung gezeigt, Milord«, gab Pierre zu.
    »Anscheinend. Ich habe es geliebt. Jetzt kann ich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um es zurückzubekommen«, sagte Matthew und lehnte sich in seinem Sessel zurück. Das Holz knarrte protestierend. Matthew griff nach dem Brief. Die Schrift war kunstvoll und mit so vielen Kringeln und Schlingen verziert, dass die Buchstaben praktisch nicht zu entziffern waren.
    »Warum ist die Handschrift so gekünstelt?«, fragte ich.
    »Die Hoefnagels sind aus Wien hergezogen und wissen nicht, wie sie sich die Zeit vertreiben sollen. Je verschlungener die Handschrift, desto besser gefällt sie Seiner Majestät«, kommentierte Pierre kryptisch.
    »Ich soll heute Nachmittag vor Rudolf erscheinen«, verkündete Matthew mit einem zufriedenen Lächeln und faltete das Papier zusammen. »Das wird meinem Vater gefallen. Er hat auch Geld und Geschmeide geschickt, aber so wie es aussieht, kommen die de Clermonts diesmal billig davon.«
    Pierre streckte ihm einen zweiten, kleineren und deutlich schlichter adressierten Brief hin. »Der Kaiser hat ein Postskriptum mitgeschickt. Das er selbst geschrieben hat.«
    Ich beugte mich über Matthews Schulter und las mit.
    Bringt das Buch. Und die Hexe. Darunter stand die geschwungene Unterschrift Seiner Majestät mit dem ausgefeilten R , den Schlaufen des d und l und dem abschließenden Doppel- f.
    »Da habe ich wohl zu früh frohlockt«, murmelte Matthew.
    »Ich habe dir von Anfang an geraten, ihn mit Tizians großem Venusgemälde zu locken, das Großvater aus König Philips Händen erhielt, obwohl seine Frau strikt dagegen war«, bemerkte Gallowglass. »Genau wie sein Onkel hat Rudolf seit jeher eine Schwäche für Rotschöpfe. Und für schlüpfrige Bilder.«
    »Und für Hexen«, ergänzte mein Gemahl kaum hörbar. Er warf den Brief auf den Tisch. »Nicht das Bild hat ihn geködert, sondern Diana. Vielleicht sollte ich die Einladung ausschlagen.«
    »Das war keine Einladung, sondern ein Befehl, Onkel.« Gallowglass zog die Brauen zusammen.
    »Und Rudolf hat Ashmole 782 «, ergänzte ich. »Das Manuskript wird nicht von selbst zu den Drei Raben in der Sporengasse geflogen kommen. Wir werden es suchen müssen.«
    »Du nennst uns Raben, Tante?«, stellte sich Gallowglass beleidigt.
    »Ich rede von dem Schild an unserem Haus, du Affe.« Wie an jedem anderen Haus in der Straße hing auch an unserem statt einer Hausnummer ein Schild. Nachdem das ganze Viertel in der Mitte des Jahrhunderts niedergebrannt war, hatte der Großvater des jetzigen Kaisers darauf bestanden, dass sich die Häuser nicht mehr nur in den bis dahin beliebten Wandmalereien unterscheiden müssten.
    Gallowglass grinste. »Ich wusste genau, was du meinst. Trotzdem mag ich es, wenn sich dein Glaem aufstellt und du zu leuchten beginnst.«
    Ich zog schnaubend meinen Tarnzauber fester und dämpfte das Leuchten auf ein akzeptableres, menschliches Maß.
    »Außerdem«, fuhr Gallowglass fort, »gilt es unter meinem Volk als Kompliment, mit einem Raben verglichen zu werden. Ich bin dann Munin, und Matthew nennen wir Hugin. Du wärst in diesem Fall Göndul, Tantchen. Du gäbst eine hervorragende Walküre ab.«
    »Wovon redet er?«, fragte ich Matthew verständnislos.
    »Von Odins Raben. Und seinen Töchtern.«
    »Ach. Danke, Gallowglass«, sagte ich verlegen. Es konnte nichts Schlechtes bedeuten, mit der Tochter eines Gottes verglichen zu werden.
    »Selbst wenn es sich bei Rudolfs Buch tatsächlich um Ashmole 782 handelt, wissen wir nicht, ob es auch nur eine unserer Fragen beantwortet.« Das Erlebnis mit dem Voynich -Manuskript machte Matthew immer noch zu schaffen.
    »Historiker wissen nie im Voraus, ob ihnen ein Text Antworten liefert. Falls er es nicht tut, wissen wir hinterher wenigstens, welche Fragen wir stellen müssen«, wandte ich ein.
    »Auch wieder wahr.« Matthews Mundwinkel zuckten. »Nachdem ich ohne dich nicht in die kaiserliche Bibliothek komme und du Prag nicht ohne das Buch verlassen wirst, haben wir ohnehin keine Wahl. Wir werden beide gehen.«
    »Du hast dich in deiner eigenen Schlinge gefangen,

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