Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
Vom Netzwerk:
nickend.
    »Uralt ist er vielleicht, aber nicht hebräisch. Es waren auch Bilder darin. Ich wusste nicht, was sie bedeuten sollten, aber Edward meinte, sie seien alchemistischer Natur. Vielleicht erklären die Worte jene Bilder.«
    »Haben sich die Worte bewegt, als Ihr sie saht, Rabbi Löw?« Ich dachte an die Zeilen, die unter den alchemistischen Illustrationen vorbeigezogen waren.
    »Wie sollten sie sich bewegen?« Löw sah mich zweifelnd an. »Es waren nur Symbole, in Tinte auf Papier geschrieben.«
    »Dann ist das Werk intakt – noch«, sagte ich erleichtert. »Bevor ich es in Oxford zu sehen bekam, hatte jemand mehrere Seiten daraus entfernt. Es war unmöglich, die Bedeutung des Textes zu verstehen, weil die Worte über die Seiten hetzten und nach ihren verlorenen Brüdern und Schwestern suchten.«
    »Bei Euch klingt das, als sei dieses Buch lebendig«, sagte Rabbi Löw.
    »Ich glaube, das ist es wirklich«, gestand ich. Matthew sah mich überrascht an. »Ich weiß, das klingt unglaublich. Aber wenn ich mich an jenen Abend erinnere und daran, was geschah, sobald ich das Buch berührte, kann ich es nicht anders beschreiben. Das Buch erkannte mich. Es hatte … irgendwie Schmerzen, so als hätte es etwas Wichtiges verloren.«
    »Es gibt in meinem Volk Geschichten über Bücher, die mit Flammenhand geschrieben wurden und in denen sich die Worte bewegen und tanzen, sodass nur jene sie lesen können, die Gott auserwählt hat.« Rabbi Löw stellte mich wieder auf die Probe. Er verhielt sich wie ein Lehrer, der seine Schüler ausfragt.
    »Diese Geschichten habe ich auch gehört«, antwortete ich nachdenklich. »Und auch die Geschichten über andere verlorene Bücher – die von Moses zerstörten Gesetzestafeln oder Adams Buch, in dem er die wahren Namen aller Geschöpfe verzeichnet hatte.«
    »Falls Euer Buch so wichtig ist wie diese, dann ist es vielleicht Gottes Wille, dass es unauffindbar bleibt.« Wieder lehnte sich Rabbi Löw abwartend zurück.
    »Aber es ist nicht unauffindbar«, entgegnete ich. »Rudolf weiß, wo es ist, obwohl er es nicht lesen kann. Wen hättet Ihr lieber als Hüter eines so mächtigen Buches: Matthew oder den Kaiser?«
    »Ich kenne viele kluge Männer, die behaupten würden, die Wahl zwischen Gabriel ben Ariel und Seiner Majestät gliche einer Entscheidung für das kleinere von zwei Übeln.« Rabbi Löw sah zu Matthew hinüber. »Glücklicherweise zähle ich mich nicht zu ihnen. Trotzdem kann ich Euch nicht helfen. Ich habe das Buch zwar gesehen – aber ich weiß nicht, wo es sich inzwischen befindet.«
    »Das Buch ist im Besitz des Kaisers – oder war es zumindest. Bevor Ihr das bestätigt habt, sprach allein Dr. Dees Vermutung dafür und die Bestätigung jenes Mannes, den Ihr so treffend als verrückten Edward bezeichnet«, sagte Matthew grimmig.
    »Verrückte können gefährlich werden«, bemerkte Rabbi Löw. »Ihr solltet Acht geben, wen Ihr aus dem Fenster hängt, Gabriel.«
    »Ihr habt davon gehört?«, fragte Matthew betreten.
    »In der ganzen Stadt gehen Gerüchte um, dass der meschuggene Edward mit dem Teufel durch die Kleinseite geflogen wäre. Ich war mir sicher, dass Ihr etwas damit zu tun habt.« Diesmal schwang leiser Tadel in Rabbi Löws Stimme. »Gabriel, Gabriel. Was wird Euer Vater dazu sagen?«
    »Dass ich ihn hätte fallenlassen sollen, ohne jeden Zweifel. Mein Vater hat wenig Geduld mit Geschöpfen wie Edward Kelley.«
    »Wahnsinnigen, meint Ihr.«
    »Ich meinte genau das, was ich gesagt habe, Maharal «, antwortete Matthew gleichmütig.
    »Leider ist der Mann, über dessen Tod Ihr so beiläufig sprecht, der Einzige, der Euch helfen kann, das Buch Eurer Frau zu finden.« Rabbi Löw verstummte und dachte nach. »Aber wollt Ihr dessen Geheimnisse wirklich lüften? Leben und Tod sind eine große Verantwortung.«
    »Ihr wisst, was ich bin, daher wird es Euch nicht überraschen, dass mir diese spezielle Last durchaus vertraut ist.« Matthew lächelte freudlos.
    »Vielleicht. Aber kann Eure Gemahlin sie ebenfalls tragen? Möglicherweise seid Ihr nicht immer bei ihr, Gabriel. Manch einer würde sein Wissen vielleicht mit einer Hexe teilen, aber nicht mit Euch.«
    »Es gibt also doch jemanden im jüdischen Viertel, der Zaubersprüche weben kann«, sagte ich. »Ich dachte mir das schon, als ich von dem Golem hörte.«
    »Er wartet auf Euren Besuch. Allerdings wird er sich nur mit einer anderen Hexe treffen. Mein Freund fürchtet Gabriels Kongregation, und das mit gutem

Weitere Kostenlose Bücher