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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Zeichnungen jemandem zeigen, der wirklich etwas von diesen Dingen versteht. Meister Hoefnagel war höchst beeindruckt und zeichnete zur Belohnung auf der Stelle ein Tintenporträt von dem Jungen.«
    »In der Wachstube war Pierre auch mit mir«, meldete sich Jack kleinlaut zu Wort. »Da habe ich mir die hier besorgt.« Er hielt einen Schlüsselring hoch. »Ich wollte doch nur mal das Einhorn sehen, weil ich mir nicht vorstellen konnte, dass ein Einhorn so viele Treppen steigen kann, und dachte, dass es Flügel haben muss. Und dann hat mir Master Gallowglass die Rittertreppe gezeigt – das Bild mit den fliehenden Hirschen hat mir wirklich gefallen, Master Roydon. Die Wachen haben sich unterhalten. Ich konnte nicht alles verstehen, aber zwischendrin habe ich das Wort ›Einhorn‹ gehört, und da habe ich mir gedacht, dass sie vielleicht wissen, wo es ist, und so …«
    Matthew nahm Jack an der Schulter und ging in die Hocke, damit er auf Augenhöhe mit ihm war. »Weißt du, was sie mit dir gemacht hätten, wenn sie dich erwischt hätten?« Mein Ehemann sah genauso erschrocken aus wie das Kind.
    Jack nickte.
    »Und das Einhorn zu sehen wäre dir eine Tracht Prügel wert gewesen?«
    »Prügel habe ich schon oft gekriegt. Aber ich habe noch nie ein Zaubertier gesehen. Bis auf den Löwen in der kaiserlichen Menagerie. Und Mistress Roydons Drachen.« Jack sah erschrocken auf und schlug sich die Hand vor den Mund.
    »Den hast du also auch gesehen? Prag hat demnach allen Betroffenen die Augen geöffnet.« Matthew stand auf und streckte ihm die Hand hin. »Gib mir die Schlüssel.« Jack tat es, wenn auch widerwillig. Matthew verbeugte sich vor dem Jungen. »Ich stehe in deiner Schuld, Jack.«
    »Aber ich war böse«, flüsterte Jack. Er rieb seinen Hintern, als würde er schon jetzt die Strafe spüren, die Matthew mit Sicherheit austeilen würde.
    »Ich bin immer böse«, gestand Matthew ihm. »Manchmal entsteht daraus auch etwas Gutes.«
    »Ja, aber Euch kann niemand verprügeln«, sagte Jack, der immer noch diese seltsame Welt zu verstehen versuchte, in der erwachsene Männer in der Schuld kleiner Jungen standen und sein Held doch nicht perfekt war.
    »Matthews Vater hat ihn einmal mit seinem Schwert geschlagen. Ich habe es selbst gesehen.« In meinem Brustkorb flatterte die Feuerdrachin in wortloser Zustimmung mit den Schwingen. »Dann schlug er ihn zu Boden und baute sich über ihm auf.«
    »Der ist bestimmt so groß wie Sixtus, der Bär des Kaisers«, verkündete Jack ehrfürchtig, angesichts der Vorstellung, dass jemand Matthew besiegen konnte.
    »Das ist er«, sagte Matthew und brummte dabei wie der fragliche Bär. »Und jetzt ab ins Bett. Und zwar sofort.«
    »Aber ich bin geschickt – und schnell«, protestierte Jack. »Ich kann Mistress Roydons Buch beschaffen, ohne dass mich jemand bemerkt.«
    »Das kann ich auch«, versicherte ihm Matthew.
    Matthew und Gallowglass kehrten blut-, schmutz- und rußverschmiert aus der Burg zurück – und mit Ashmole 782 .
    »Ihr habt es bekommen!«, rief ich. Annie und ich erwarteten sie im Obergeschoss. Wir hatten Taschen mit den nötigsten Reiseutensilien gepackt.
    Matthew schlug das Buch auf. »Die ersten drei Seiten fehlen.«
    Das Buch, das noch vor wenigen Stunden unversehrt gewesen war, war jetzt kaputt, und der Text raste besinnungslos über die Seiten. Ich hatte vorgehabt, mit dem Finger über die Buchstaben und Symbole zu gleiten, sobald es in meinem Besitz war, um mir nach Möglichkeit ihren Sinn zu erschließen. Jetzt war das unmöglich. Sobald meine Fingerspitzen das Pergament berührten, stoben die Worte in alle Richtungen davon.
    »Wir haben das Buch bei Kelley gefunden. Er saß darübergebeugt da und hat gegurrt wie ein Verrückter.« Matthew sah mich an. »Das Buch antwortete ihm.«
    »Da sagt er die Wahrheit, Tantchen. Ich habe die Worte gehört, aber verstehen konnte ich sie nicht.«
    »Dann ist das Buch tatsächlich lebendig«, murmelte ich.
    »Und tatsächlich tot«, ergänzte Gallowglass und berührte die Bindung. »Es ist so böse, wie es mächtig ist.«
    »Als Kelley uns bemerkte, begann er wie am Spieß zu schreien und die Seiten aus dem Buch zu reißen. Bevor ich ihn aufhalten konnte, hatten uns die Wachen eingeholt. Ich musste mich zwischen Kelley und dem Buch entscheiden.« Matthew zögerte. »Habe ich richtig entschieden?«
    »Ich glaube schon«, sagte ich. »Als wir das Buch in England fanden, war es schon zerrissen. Und die fehlenden Seiten könnten in

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