Wo die Nacht beginnt
wenn wir weg sind?«, fragte ich.
»Im kommenden Herbst wird man Bess die Schwangerschaft ansehen. Sie werden in aller Stille heiraten. Die Königin wird nach ihrer Verbindung fragen, doch Walter wird alles abstreiten. Mehrmals. Bess’ Ruf ist ruiniert, ihr Ehemann hat sich als Lügner gezeigt, und beide werden verhaftet.«
»Und das Kind?«, flüsterte ich.
»Wird im März geboren und im darauffolgenden Herbst sterben.« Matthew setzte sich an den Tisch und stützte den Kopf in die Hände. »Ich werde meinem Vater schreiben und ihn bitten, Bess unter seinen Schutz zu stellen. Vielleicht wird sich Susanna Norman während der Schwangerschaft um sie kümmern.«
»Weder dein Vater noch Susanna können sie schützen, wenn Raleigh sie verleugnet.« Ich legte die Hand auf seinen Arm. »Und wirst du nach unserer Rückkehr abstreiten, dass wir verheiratet sind?«
»So einfach ist das nicht.« Matthew sah mich mit düsteren Augen an.
»Das Gleiche hat Walter auch gesagt. Und du hast ihm geantwortet, dass er sich täuscht.« Ich musste an Goody Alsops Prophezeiung denken. Welten vergehen, und neue werden geboren. » Irgendwann kommt der Zeitpunkt, an dem du dich zwischen der Sicherheit der Vergangenheit und den Versprechungen der Zukunft entscheiden musst, Matthew.«
»Und Vergangenes lässt sich im Nachhinein nicht ungeschehen machen, sosehr man es sich auch wünscht«, stimmte er mir zu. »Das sage ich auch immer der Königin, wenn sie sich nach einer Fehlentscheidung quält. In meiner eigenen Schlinge gefangen, wie Gallowglass sofort anmerken würde.«
»Du bist mir knapp zuvorgekommen, Onkel.« Gallowglass hatte lautlos den Raum betreten und war jetzt dabei, verschiedene Pakete abzuladen. »Ich habe dein Papier besorgt. Und deine Stifte. Und ein Mittel für Jacks rauen Hals.«
»Das hat er davon, dass er ständig mit Tom auf irgendwelchen Türmen herumsteht und mit ihm über die Sterne spricht.« Matthew fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. »Wir müssen dafür sorgen, dass Tom ein Auskommen hat, Gallowglass. Walter wird ihn nicht mehr lange in seinen Diensten halten können. Henry Percy wird in die Bresche springen müssen – wieder mal –, aber auch ich sollte etwas zu seinem Unterhalt beitragen.«
»Wo wir von Tom sprechen, hast du seine Pläne für das einäugige Fernglas gesehen, mit dem man den Himmel betrachten kann? Er und Jack nennen es Sternenglas.«
Meine Kopfhaut kribbelte, und die Stränge im Raum knisterten vor Energie. Die Zeit protestierte leise in den Ecken.
»Ein Sternenglas.« Ich gab mir alle Mühe, möglichst unbeteiligt zu klingen. »Wie sieht es denn aus?«
»Das kannst du ihn gleich selbst fragen.« Gallowglass drehte den Kopf zur Treppe. Jack und Mopp kamen ins Zimmer gestürmt. Tom folgte ihnen gedankenverloren, eine zerbrochene Brille in der Hand haltend.
»Wenn du dich da einmischst, hinterlässt du ganz bestimmt Spuren in der Zukunft, Diana«, warnte Matthew mich.
»Schaut her, schaut her!« Jack streckte einen dicken Holzprügel vor. Mopp folgte der Bewegung und schnappte aufgeregt nach dem Stock. »Master Harriot meint, wenn wir das aushöhlen und in ein Ende ein Brillenglas einsetzen, können wir ferne Dinge wie aus der Nähe betrachten. Könnt Ihr schnitzen, Master Roydon? Meint Ihr, der Schreiner in St. Dunstan’s könnte es mir beibringen, wenn Ihr es nicht könnt? Sind noch Brötchen da? Master Harriots Magen knurrt schon den ganzen Nachmittag.«
»Lass mich das sehen.« Ich streckte die Hand nach der Holzröhre aus. »Die Brötchen liegen im Schrank im Treppenhaus, Jack, so wie immer. Gib Master Harriot eines, und nimm dir auch eins. Und nein«, schnitt ich dem Jungen das Wort ab, bevor er etwas sagen konnte. »Mopp bekommt nichts von deinem Brötchen ab.«
»Guten Tag, Mistress Roydon«, sagte Tom verträumt. »Wenn man mit zwei schlichten geschliffenen Gläsern Gottes Wort im Buch der Bücher studieren kann, dann können sie mit Sicherheit auch komplexer angeordnet werden, sodass man mit ihrer Hilfe Gottes Werk im Buch der Natur erkennen kann. Danke, Jack.« Gedankenverloren biss Tom in das Brötchen.
»Und wie wollt Ihr sie komplexer anordnen?«, fragte ich und hielt gespannt den Atem an.
»Ich würde konvexe und konkave Linsen kombinieren, so wie es der neapolitanische Edelmann Signor della Porta in einem Buch vorschlug, das ich vergangenes Jahr las. Mein Arm reicht nicht aus, um die Linsen im richtigen Abstand zu halten. Darum versuchen wir unsere Arme
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