Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
Vom Netzwerk:
vergeben«, murmelte ich dabei. »Vergib du dafür Kit.«
    Dann ließ ich sie allein, damit sie in der wenigen Zeit, die ihnen blieb, so viel wie möglich wiedergutmachen konnten.
    Ein paar Stunden darauf überreichte ich Thomas Harriot ein Stahlrohr. »Hier ist Euer Sternenglas, Tom.«
    »Ich habe es aus einem Gewehrlauf gefertigt – mit einigen Änderungen natürlich«, hatte Monsieur Vallin, der berühmte Konstrukteur von Mausefallen und Uhren, erklärt. »Und etwas hineingraviert, so wie von Mistress Roydon gewünscht.«
    Auf der Seite war in einem hübschen kleinen Silberbanner zu lesen: n . vallin me fecit , t . harriot me invenit , 1591.
    »N. Vallin hat mich gemacht, T. Harriot hat mich erfunden, 1591.« Ich hatte Monsieur Vallin warmherzig angelächelt. »Genau wie ich es mir vorgestellt habe.«
    »Können wir uns jetzt den Mond ansehen?«, rief Jack und rannte zur Tür. »Er sieht sowieso schon größer aus als die Uhr von St. Mildred’s!«
    Und so schrieb Thomas Harriot, der Mathematiker und Linguist, im Hof des Hart and Crown auf einem wackligen Korbstuhl aus unserem Speicher sitzend, Wissenschaftsgeschichte. Er richtete das lange, mit zwei Brillengläsern kombinierte Metallrohr auf den vollen Mond und seufzte zufrieden.
    »Sieh nur, Jack. Es ist genauso, wie Signor della Porta sagte.« Tom nahm den Jungen auf seinen Schoß und hielt das Ende des Rohres vor das Auge seines enthusiastischen Assistenten. »Zwei Linsen, eine konvex und eine konkav, sind wahrhaftig die Lösung, wenn sie in der rechten Distanz zueinander stehen.«
    Nach Jack durften wir der Reihe nach durch das Fernrohr sehen.
    »Also, das sieht gar nicht so aus, wie ich es erwartet hätte«, stellte George Chapman enttäuscht fest. »Hättet Ihr nicht geglaubt, der Mond wäre ein wenig spannender? Ich glaube, ich ziehe den Mond der Poeten diesem hier vor, Tom.«
    »Also, perfekt ist er ganz und gar nicht«, beschwerte sich Henry Percy, rieb sich die Augen und spähte dann noch einmal durch das Rohr.
    »Natürlich ist er nicht perfekt. Nichts ist perfekt«, sagte Kit. »Ihr dürft nicht alles glauben, was Euch die Philosophen erzählen, Hal. Das führt mit Sicherheit ins Verderben. Ihr seht ja, wie wenig die Philosphie Tom genützt hat.«
    Ich warf Matthew einen kurzen Blick zu und grinste. Wir hatten die Wortgefechte der Schule der Nacht schon lange nicht mehr genossen.
    »Wenigstens kann Tom sich selbst ernähren, was ich von den Stückeschreibern in meinem Freundeskreis nicht behaupten kann.« Walter schaute durch das Rohr und pfiff leise. »Ich wünschte, Ihr hättet dieses Ding ersonnen, bevor wir nach Virginia segelten, Tom. Damit hätten wir von unserem sicheren Schiff aus den ganzen Strand in Augenschein nehmen können. Seht hindurch, Gallowglass, und sagt mir, dass ich mich irre.«
    »Ihr irrt Euch nie, Walter.« Gallowglass zwinkerte Jack heimlich zu. »Merk dir das gut, junger Jack. Wer deinen Lohn zahlt, hat in allen Belangen recht.«
    Ich hatte auch Goody Alsop und Susanna eingeladen, und selbst die beiden wagten einen kurzen Blick durch Toms Sternenglas. Beide Frauen zeigten sich nicht besonders beeindruckt von der neuen Erfindung, trotzdem äußerten sie sich begeistert, als die Männer nachfragten.
    »Warum geben sich die Männer nur immer mit so belanglosen Dingen ab?«, flüsterte Susanna mir zu. »Ich hätte ihnen auch ohne dieses neue Instrument sagen können, dass der Mond nicht glatt ist. Haben sie keine Augen im Kopf?«
    Nach der vergnüglichen Himmelsbetrachtung blieb nur noch der schmerzvolle Abschied. Wir hatten Annie gegenüber behauptet, dass Susanna die gebrechliche Goody Alsop nicht allein durch die ganze Stadt bringen könne, und sie gemeinsam mit den beiden losgeschickt. Ich verabschiedete mich viel zu fröhlich von dem Mädchen, woraufhin Annie mich unsicher ansah.
    »Ist alles in Ordnung, Mistress? Soll ich nicht lieber bei Euch bleiben?«
    »Nein, Annie. Geh mit deiner Tante und Goody Alsop.« Ich blinzelte die Tränen zurück. Wie ertrug Matthew diese ständigen Abschiede nur?
    Kit, George und Walter gingen als Nächste, nachdem sie Matthew einen schroffen Abschiedsgruß zugeraunzt und ihm den Arm gedrückt hatten, um ihm Glück zu wünschen.
    »Komm, Jack. Du kommst mit zu mir, zusammen mit Tom«, sagte Henry Percy. »Die Nacht ist noch jung.«
    »Ich will aber nicht gehen«, beschwerte sich Jack. Er drehte sich mit riesigen Augen zu Matthew um. Dem Jungen schwante etwas.
    Matthew ging vor ihm in die

Weitere Kostenlose Bücher