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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Hocke. »Du brauchst keine Angst zu haben, Jack. Du kennst doch Master Harriot und Lord Northumberland. Die beiden passen auf, dass dir nichts passiert.«
    »Und wenn ich einen Albtraum kriege?«, flüsterte Jack.
    »Albträume sind wie Master Harriots Sternenglas. Sie sind ein Spiel des Lichts, bei dem etwas in weiter Ferne näher und größer erscheint, als es ist.«
    »Ach so.« Jack dachte über Matthews Antwort nach. »Also kann mir ein Monster nichts anhaben, selbst wenn ich es im Traum sehe?«
    Matthew nickte. »Aber ich werde dir noch ein Geheimnis verraten. Bei einem schönen Traum verhält es sich genau umgekehrt wie bei einem Albtraum. Wenn du von jemandem träumst, den du liebst, ist dir dieser Mensch nah, selbst wenn er dir weit weg erscheint.« Er stand auf und legte die Hand wie zu einem stummen Segen auf Jacks Kopf.
    Nachdem Jack und seine Hüter gegangen waren, blieb nur noch Gallowglass. Ich holte die Schnüre aus meiner Zauberkiste, in der damit nur ein paar vereinzelte Stücke zurückblieben: ein Kiesel, eine weiße Feder, ein Spreißel des Vogelbeerbaumes, mein Schmuck und der Abschiedsbrief meines Vaters.
    »Ich werde mich darum kümmern«, versprach er und nahm mir das Kästchen ab. In seiner riesigen Hand wirkte es merkwürdig klein. Dann drückte er mich mit aller Kraft an seine Brust.
    »Pass auf den anderen Matthew auf, damit er mich eines Tages finden kann«, flüsterte ich ihm ins Ohr, die Augen fest geschlossen.
    Ich ließ ihn los und trat zur Seite. Die beiden verabschiedeten sich wie alle de Clermonts voneinander – kurz, aber gefühlvoll.
    Pierre wartete mit den Pferden vor dem Cardinal’s Hat. Matthew hob mich in meinen Sattel und saß dann selbst auf.
    »Lebt wohl, Madame«, sagte Pierre und ließ die Zügel los.
    »Danke, mein Freund«, sagte ich und merkte, wie mir schon wieder die Tränen in die Augen schossen.
    Pierre reichte Matthew einen Brief. Ich erkannte Philippes Siegel. »Die Anweisungen Eures Vaters, Milord.«
    »Falls ich nicht innerhalb der nächsten zwei Tage in Edinburgh auftauche, dann suche nach mir.«
    »Das werde ich«, versprach Pierre, während Matthew seinem Pferd zuschnalzte und wir den Weg nach Oxford einschlugen.
    Wir wechselten dreimal die Pferde und kamen noch vor Sonnenaufgang in der Old Lodge an. Françoise und Charles waren weggeschickt worden. Wir waren allein.
    Matthew ließ den Brief von Philippe auf dem Schreibtisch liegen, wo der Matthew des 16. Jahrhunderts ihn sehen musste. Philippe würde ihn in einer dringenden Angelegenheit nach Schottland schicken. Dort angekommen würde Matthew Roydon am Hof von König James bleiben, bis er irgendwann spurlos untertauchen und in Amsterdam ein neues Leben beginnen würde.
    »Der König der Schotten wird froh sein, mein früheres Selbst zurückzuhaben«, kommentierte Matthew und tippte den Brief mit den Fingerspitzen an. »Jedenfalls werde ich in Zukunft nicht mehr versuchen, Hexen vor dem Scheiterhaufen zu retten.«
    »Du hast hier wirklich etwas bewirkt, Matthew«, sagte ich und legte den Arm um seine Taille. »Jetzt müssen wir uns um die Gegenwart kümmern.«
    Wir traten ins Schlafzimmer, in dem wir vor so vielen Monaten gelandet waren.
    »Du weißt, dass ich nicht sicher bin, ob wir an genau dem richtigen Ort, zur genau richtigen Zeit landen werden«, warnte ich ihn.
    »Das hast du mir schon erklärt, mon cœur. Ich vertraue dir.« Matthew hakte sich bei mir ein, um mich zu stützen. »Stellen wir uns der Zukunft. Wieder.«
    »Auf Wiedersehen, Haus.« Ich sah mich ein letztes Mal in unserem ersten Heim um. Ich würde es zwar wiedersehen, aber es würde nicht mehr dasselbe Haus sein wie an diesem Junimorgen.
    Die blauen und bernsteingelben Stränge in den Ecken sprühten und tanzten ungeduldig und erfüllten den Raum mit Licht und Klang. Ich holte tief Luft und verknotete meine braune Schnur, wobei ich ein Ende lose ließ. Bis auf die Sachen, die wir anhatten, waren meine Webschnüre die einzigen Objekte, die wir mitnehmen würden.
    »Der erste Knoten ist getan, damit fängt der Zauber an«, flüsterte ich. Die Zeit machte sich bei jedem geknüpften Knoten lauter bemerkbar, bis das Kreischen und Pfeifen fast ohrenbetäubend wurde.
    Als sich die Enden der neunten Schnur verbanden, begannen wir zu schweben, und unsere Umgebung löste sich langsam auf.

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    A lle englischen Zeitungen machten mit ähnlichen Schlagzeilen auf, aber Ysabeaus Ansicht nach hatte die Times die eleganteste Formulierung

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