Wo die Nacht beginnt
aufmunternd und dankbar meine Hand. »Mein Leibarzt meinte, ich solle mir das Gesichtshaar scheren, um mich vom Fieber zu befreien, aber vor allem heilte mich meine Gemahlin Diana, indem sie mir kalte Bäder aufzwang.«
»Gemahlin?«, wiederholte Danforth kleinlaut. »Witwe Beaton sagte nichts davon …«
»Ich pflege meine Privatangelegenheiten nicht mit unwissenden Weibern zu teilen«, wies ihn Matthew scharf zurecht.
Bidwell nieste. Matthew musterte ihn erst sorgenvoll, dann mit einem exzellent gespielten Blick des erwachenden Verstehens. An diesem Abend erfuhr ich eine Menge über meinen Gemahl, unter anderem, dass er überraschend gut schauspielern konnte.
»Ach so. Natürlich seid Ihr gekommen, weil Ihr Diana bitten wollt, Bidwell zu heilen.« Matthew schüttelte bedauernd den Kopf. »Hat sich das Gerücht über die Fähigkeiten meiner Gemahlin so schnell verbreitet?«
In diesem Zeitalter war medizinisches Wissen gefährlich eng mit dem Hexenglauben verwebt. Wollte Matthew mich absichtlich in Schwierigkeiten bringen? Ich rutschte unruhig auf meinem Stuhl hin und her.
Bidwell wollte antworten, brachte aber nur ein Gurgeln und Kopfschütteln heraus.
»Wenn Ihr nicht hier seid, um Euch kurieren zu lassen, dann wollt Ihr gewiss Dianas Schuhe abliefern.« Matthew bedachte mich mit einem liebevollen Blick und sah dann den Geistlichen an. »Wie Ihr zweifelsohne vernommen habt, gingen die Besitztümer meiner Gemahlin auf unserer Reise verloren, Mr Danforth.« Matthew wandte sich wieder dem Schuhmacher zu und erklärte unter leisem Tadel: »Ich weiß, dass Ihr ein viel beschäftigter Mann seid, Bidwell, aber ich hoffe, dass Ihr wenigstens die Muster fertiggestellt habt. Diana ist fest entschlossen, an diesem Sonntag wieder zur Kirche zu gehen, und der Weg zum Gotteshaus steht oft unter Wasser. Jemand sollte sich endlich darum kümmern.«
Seit Matthew zu sprechen angefangen hatte, hatte sich Iffley vor Empörung aufgeblasen. Schließlich hielt es der Mann nicht mehr aus.
»Bidwell hat die Schuhe dabei, die Ihr bei ihm bestellt habt, aber wir sind nicht gekommen, um die Dienste Eurer Gemahlin zu erbitten oder um über Muster oder Matsch zu plaudern!« Iffley zog den Umhang um die Hüften, was ihm mehr Würde verleihen sollte, ihn mit seiner spitzen Nase und den Knopfaugen jedoch wie eine in klatschnasse Wolle gewickelte Ratte aussehen ließ. »Erklärt es ihr, Mr Danforth.«
Der ehrwürdige Mr Danforth sah aus, als würde er lieber in der Hölle schmoren, als in Matthew Roydons Haus dessen Ehefrau zu beschuldigen.
»Nun los. Erklärt es ihr«, drängte Iffley.
»Es gab Anschuldigungen …« Weiter kam Danforth nicht, dann hatten Walter, Henry und Hancock die Reihen geschlossen.
»Wenn Ihr gekommen seid, um Anschuldigungen vorzubringen, dann könnt Ihr sie an mich oder seine Lordschaft richten«, verkündete Walter scharf.
»Oder an mich«, piepste George dazwischen. »Ich bin durchaus belesen in juristischen Dingen.«
»Äh …, also …, ja … nun …« Der Geistliche verstummte endgültig.
»Witwe Beaton wurde mit einer Krankheit geschlagen. Genau wie der junge Bidwell«, sprang Iffley entschlossen in die Bresche, nachdem Danforth die Nerven versagten.
»Zweifellos das gleiche Fieber, das erst mich niedergestreckt hat und jetzt den Vater des Jungen«, antwortete mein Mann milde. Seine Hand schloss sich fester um meine. Hinter mir fluchte Gallowglass halblaut. »Was genau werft Ihr meiner Gemahlin vor, Iffley?«
»Witwe Beaton weigerte sich, Eurer Gemahlin bei ihrem Teufelswerk beizustehen. Daraufhin schwor Mistress Roydon, ihre Glieder und ihren Kopf mit Schmerzen zu peinigen.«
»Mein Sohn hat sein Gehör verloren«, beschwerte sich Bidwell heiser vor Elend und Schleim. »Ständig hört er ein lautes Klingeln wie von einer Glocke. Witwe Beaton hat uns versichert, dass er verhext wurde.«
»Nein«, flüsterte ich. Das Blut sackte mir schlagartig aus dem Kopf. Augenblicklich legten sich Gallowglass’ Hände auf meine Schultern und hielten mich aufrecht.
Bei dem Wort » verhext« öffnete sich vor mir ein allzu vertrauter Abgrund. Schon immer war meine größte Angst gewesen, die Menschen könnten entdecken, dass ich von Bridget Bishop abstammte. Dann würden mich erst neugierige Blicke verfolgen und bald darauf Unterstellungen. Die einzig mögliche Reaktion darauf war die Flucht. Ich versuchte meine Finger aus Matthews Hand zu winden, aber sein Griff war unerbittlich, und außerdem hielt
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