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Wo die Nacht beginnt

Wo die Nacht beginnt

Titel: Wo die Nacht beginnt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Deborah Harkness
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Gallowglass immer noch meine Schultern fest.
    »Witwe Beaton plagt schon lange das Zipperlein, und Bidwells Sohn leidet immer wieder an Schlundfäule. Die löst oft Schmerzen und Taubheit aus. Beide Krankheiten traten schon auf, bevor meine Frau nach Woodstock kam.« Matthew schwenkte lässig und wegwerfend die freie Hand. »Die Alte missgönnt Diana nur ihre Fähigkeiten, und der junge Joseph war so geblendet von ihrer Schönheit, dass er mich um meine Ehe mit ihr beneidet. Das sind keine Anschuldigungen, das sind Phantastereien.«
    »Dennoch ist es meine Pflicht als Mann Gottes, sie ernstzunehmen, Master Roydon. Ich habe mich kundig gemacht.« Mr Danforth fasste in seinen schwarzen Umhang und zog einen zerfledderten Papierstapel heraus. Er bestand aus ein paar Dutzend Blättern, die notdürftig mit rauem Garn zusammengenäht waren. Im Lauf der Zeit und durch ausgiebiges Studium waren die Fasern erschlafft, die Kanten ausgefranst, und das Papier war angegraut. Ich saß zu weit weg, um den Titel entziffern zu können. Allerdings konnten alle drei Vampire ihn lesen. So auch George, der sofort erblasste.
    »Das ist ein Teil des Malleus Maleficarum. Ich wusste gar nicht, dass Euer Latein gut genug ist, ein so kompliziertes Werk zu verstehen, Mr Danforth«, sagte Matthew. Der sogenannte Hexenhammer war das einflussreichste Handbuch für die Hexenjagd, das je geschrieben worden war, und der Titel versetzte jedes Hexenherz in Angst und Schrecken.
    Der Geistliche sah ihn empört an. »Ich habe an der Universität studiert, Master Roydon.«
    »Das freut mich zu hören. Dieses Buch sollte nicht in die Hände von Ungebildeten oder Abergläubischen fallen.«
    »Ihr kennt es?«, fragte Danforth.
    »Auch ich habe studiert«, erwiderte Matthew milde.
    »Dann versteht Ihr gewiss, warum ich diese Frau befragen muss.« Danforth wollte sich mir nähern. Hancocks leises Knurren ließ ihn innehalten.
    »Meine Gemahlin hat ein ausgezeichnetes Gehör. Ihr braucht nicht näher zu kommen.«
    »Ich habe Euch doch gesagt, dass Mistress Roydon über unnatürliche Kräfte gebietet!«, triumphierte Iffley.
    Danforth hielt sein Buch fest umklammert. »Wer hat Euch diese Dinge gelehrt, Mistress Roydon?«, rief er quer durch den Saal. »Wer hat Euch in der Hexerei unterwiesen?«
    Und so begann der ganze Irrsinn: mit Fragen, mit denen die Beschuldigte dazu getrieben werden sollte, andere ans Messer zu liefern. Der Reihe nach wurden die Hexen in ein Netz aus Lügen verstrickt und vernichtet. Tausende meiner Art waren dank dieser Taktiken erst gefoltert und dann ermordet worden. Automatisch wollte ich alles abstreiten.
    »Nicht.« Matthew warnte mich mit diesem einen Wort und mit einem eisigen Murmeln.
    »In Woodstock tragen sich seltsame Dinge zu. Ein weißer Hirsch kreuzte Witwe Beatons Weg«, fuhr Danforth fort. »Er blieb mitten auf der Straße stehen und hielt ihrem Blick stand, bis ihr eiskalt wurde. Gestern Nacht wurde ein grauer Wolf vor ihrem Haus gesehen. Seine Augen glühten in der Dunkelheit, heller als die Lampen an den Häusern, die den Reisenden helfen sollen, Schutz zu finden. Welche dieser Kreaturen ist Euer Vertrauter?« Als Vertraute wurden die Geistwesen bezeichnet, die angeblich manche Hexen begleiteten. »Und wer hat ihn Euch zugeeignet?« Diesmal brauchte mich Matthew nicht zu ermahnen, nicht drauf zu antworten. Die Fragen des Priesters folgten einem Muster, das mir seit der Universität bekannt war.
    »Die Hexe muss Euch antworten, Mr Danforth.« Iffley zupfte eifrig am Ärmel des Priesters. »Wir können nicht zulassen, dass sich ein Geschöpf der Dunkelheit so unbotmäßig gegenüber einem Vertreter Gottes verhält.«
    »Mein Weib spricht mit niemandem ohne meine ausdrückliche Zustimmung«, brauste Matthew auf. »Und überlegt Euch gut, wen Ihr hier als Hexe bezeichnet, Iffley.« Je dreister die Dorfbewohner wurden, desto mehr Mühe kostete es Matthew, sich zu beherrschen.
    Der Blick des Geistlichen wanderte von mir zu Matthew und zurück. Ich verkniff mir ein Wimmern.
    »Sie kann nicht die Wahrheit sagen, weil sie mit dem Teufel im Bunde steht«, erklärte Bidwell.
    »Ruhig, Master Bidwell«, wies Danforth ihn zurecht. »Was wünscht Ihr zu sagen, mein Kind? Wer hat Euch mit dem Teufel bekannt gemacht? War es eine andere Frau?«
    »Oder ein Mann«, murmelte Iffley halblaut. »Mistress Roydon ist nicht das einzige Geschöpf der Dunkelheit in diesem Hause. Ihr verfügt hier über viele sonderbare Bücher, außerdem finden

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