Wo die Nelkenbaeume bluehen
ihr eigentliches Problem. Annemarie machte sich viel größere Sorgen, was geschehen würde, wenn Albrecht auf der Plantage eintraf. Und sie zweifelte keine Sekunde daran, dass er kommen würde.
Fast als hätte sie ihn mit ihrem Gedanken beschworen, hörte sie draußen auf dem Hof Hufschläge. Jonathan Bennett wandte sich um, ein breites Grinsen auf den Lippen. „Freuen Sie sich, meine Liebe“, verkündete er mit einer Stimme, die vor falscher Freundlichkeit troff. „Ihr Ehemann ist soeben eingetroffen, um uns Gesellschaft zu leisten.“
Kurz darauf konnte sie Albrechts schwere Schritte hören, dann wurde die Tür zum Salon aufgestoßen.
Annemarie stockte der Atem, als sie ihren Ehemann erblickte. Albrecht besaß ein aufbrausendes, leicht zu entflammendes Temperament, doch so außer sich hatte sie ihn noch nie gesehen. Seine blauen Augen blitzten vor Zorn, und seine Miene war zu einer Maske des Hasses verzerrt. Mit drei ausgreifenden Schritten hatte er das Esszimmer durchquert, packte Annemarie am Oberarm, so brutal, dass sie nur mit Mühe einen Aufschrei unterdrücken konnte, und riss sie auf die Füße.
„Was glaubst du eigentlich, wer du bist?“, herrschte er sie an. Er neigte zu einer rötlichen Gesichtsfarbe, doch die hektischen roten Flecken auf seiner Stirn und den Wangen waren neu. Mit jedem Wort, das er sprach, sprühte Speichel durch die Luft.
Annemarie widerstand dem Bedürfnis, sich mit dem Handrücken übers Gesicht zu wischen, obwohl Ekel sie schüttelte. Doch sie wollte Albrecht nicht noch mehr Grund geben, wütend zu sein.
„Albrecht, ich …“
Sie kam nicht dazu, den Satz zu vollenden. Seine geballte Faust traf sie mitten ins Gesicht. Sterne explodierten vor Annemaries Augen.
Im ersten Moment drängte der Schock über diesen plötzlichen Angriff den Schmerz zurück. Sie taumelte, fiel aber nicht und stieß stattdessen mit der Hüfte gegen den Esstisch, an dem sie sich blind festklammerte.
Als der Schmerz schließlich kam, rollte er wie eine Feuersbrunst über sie hinweg. So etwas hatte Annemarie in ihrem ganzen Leben noch nicht gefühlt. Es war, als würde ihr Kopf explodieren und ihr Gesicht in Flammen stehen. Ein metallischer Geschmack füllte ihren Mund. Sie brauchte einen Moment, um zu begreifen, dass es ihr Blut war, das sie schmeckte.
Und das war nur der Anfang. Der nächste Schlag traf sie auf die Brust und presste ihr die Luft aus den Lungen. Ihre Knie gaben unter ihr nach, und sie sank zu Boden, verzweifelt nach Sauerstoff ringend, die Augen weit aufgerissen.
Als der Atemreflex schließlich siegte, war ihr bei jedem noch so kleinem Atemzug, als würde sich ein glühender Dolch in ihre Lunge rammen.
Doch Albrecht war noch nicht fertig mit ihr.
Sie sah, wie er mit seinem rechten Fuß ausholte, rollte sich instinktiv auf dem Boden zusammen und schützte ihren Kopf mit den Händen. Ein unzusammenhängender Gedanke zuckte zu dem kleinen Menschen, den sie womöglich in sich trug. Sie hoffte, dass er nichts von der Pein, die in ihrem Körper wütete, spürte, und wappnete sich innerlich gegen Albrechts Tritt – doch der kam nicht.
Stattdessen hörte sie ein wütendes Brüllen. „Nimm die Finger von ihr, du Dreckskerl!“
Erleichterung durchflutete sie, vermischt mit einem Gefühl neuer Angst – dieses Mal nicht um sich selbst, sondern um den Mann, den sie liebte.
Henriette erkannte sofort, dass sie gerade noch im rechten Augenblick gekommen waren. Mit dem Pferd hatte sie zwei Stunden gebraucht, um Sansibar Stadt zu erreichen. Sie fand die Anlegestelle der Majestic auf Anhieb, und war dort zum Glück auch gleich auf Mack und Nathan getroffen.
Als die beiden hörten, in welcher Gefahr Annemarie schwebte, hatten sie keine Sekunde gezögert. Henriette kannte den Blick grimmiger Entschlossenheit in den Gesichtern der beiden Männer gut. Sie hatte ihn oft genug gesehen, um diejenigen zu bemitleiden, die so dumm waren, sich ihnen in den Weg zu stellen.
Doch die beiden Raufbolde, die den Raum bewachten, in dem Annemarie festgehalten wurde, bedauerte sie nicht.
Nachdem Nathan und Mack sich jeweils einen von ihnen vorgenommen hatten, waren sie ins Zimmer hineingestürmt – und für den Bruchteil einer Sekunde wie erstarrt gewesen ob des Anblicks, der sich ihnen bot. Im nächsten Moment schon hatte sich Nathan auf Albrecht Rosenthal gestürzt, während Mack mit einem gezielten Kinnhaken Celias Mann ausschaltete, der wie ein gefällter Baum zu Boden fiel.
Henriette selbst war
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