Wo die toten Kinder leben (German Edition)
wiederholte er.
„Ich habe dir etwas mitgebracht. Ich habe die Namen der Leute, die sich mit Wittgen an den Kindern vergangen haben.“
Ralf streckte seine Hand vor und wollte nach dem Block greifen, doch ich zog ihn einige Zentimeter zurück. Mein ehemaliger Partner verharrte in der Bewegung und fixierte mich eindringlich.
„Du solltest das als anonymen Hinweis werten und deine Ermittlungen sehr diskret vornehmen. Ich bin mir sicher, wenn du zum Beispiel die elektronischen Speichermedien dieser Männer konfiszierst und sie auf entsprechende Inhalte überprüfst, wirst du bestimmt fündig werden.“
„Du willst also keine Aussage machen?“
„Nein.“
„Ein anonymer Hinweis, meinst du?“
„Vollkommen anonym.“
Ich schob ihm den Block zu. Er nahm ihn an sich und überflog die Namen. „Wow, da sind ja auch lokale Promis darunter.“
„Genau“, sagte ich. „Die werden sich schnell juristischen Beistand beschaffen. Deshalb wäre es sinnvoll, wenn du die einzelnen Verdächtigen zeitgleich aufsuchen lässt. Nur so kannst du sicherstellen, dass sie sich nicht gegenseitig warnen und ihre Daten und Beweise vernichten.“
Ralf nickte. „Darüber werde ich mit der Staatsanwaltschaft sprechen.“
„In dem Fall ist ein großes Medieninteresse zu erwarten. Der Staatsanwalt, der das anpackt, …nun ja“, ich versuchte mich an einem schiefen Lächeln, „wie soll man sagen? – …der wird bekannt. Und das wird seiner Karriere nicht gerade abträglich sein. …Deiner übrigens auch nicht.“
„Wenn sich dein Hinweis bestätigt, liegst du richtig“, sagte Ralf. „Ich denke, ich werde die Durchsuchungsbefehle relativ schnell erhalten.“
„Du kannst dem Staatsanwalt im Brustton der Überzeugung sagen, dass Gefahr in Verzug ist. Nur weil Wittgen weggesperrt ist, heißt das nicht, dass die Pädophilengruppe jetzt aufhört. Du kannst nicht ausschließen, dass die wieder über Kinder herfallen. Hier muss zügig gehandelt werden.“
Schweigen breitete sich zwischen uns aus.
Ralf begann, eine Büroklammer zu verbiegen und vermied es, Paul und mich direkt anzusehen. Ich wusste von früher, dass Ralf jetzt alleine sein wollte, dass wir ihn nur bei seiner Arbeit störten, er sich aber davor scheute, es uns offen zu sagen. Ich erhob mich. Paul folgte meinem Beispiel.
„Ich denke, das war’s. Ich hoffe, ich konnte dir etwas helfen.“
„Das hast du ganz sicher“, sagte Ralf. „ …Ich wünschte mir nur, ich könnte dich über den Fortschritt der Ermittlungen auf dem Laufenden halten.“
„Das ist nicht nötig. Hauptsache, es wird etwas unternommen und diese Typen fassen keine weiteren Kinder an.“
Ralf kam nicht um den Schreibtisch herum, um uns zu verabschieden. Er streckte nur seine Hand darüber aus. Paul schüttelte sie höflich.
Als wir fast schon aus der Tür draußen waren, hörte ich Ralf leise sagen: „Anne, du hast was gut bei mir.“
Und bald darauf waren Paul und ich wieder in dem bleigrauen Licht des Oktobertags auf der Straße.
36
D ie Steaks waren zart, einen Hauch blutig, und schmeckten großartig. Die Kartöffelchen glänzten goldgelb, während die Kräuterbutter langsam über ihnen zerlief. Der Wein erinnerte an Sonne und Unbeschwertheit.
„Wirklich vorzüglich“, lobte ich mit vollen Backen.
„Danke, mia cara!“ Lorenzo war sichtlich stolz auf sein Menü.
„Wenn du uns weiterhin so verwöhnst, gehen wir auseinander wie Hefekuchen“, sagte Paul zwischen zwei Bissen.
Satorius kaute genießerisch und spülte sein Essen mit einem großen Schluck Wein hinunter. „Da ist schon etwas Wahres dran. Aber, ihr junges Gemüse steckt die Kalorien doch weg. Wir hingegen, Lorenzo und ich, …nun, wir werden tatsächlich einfach fett.“
„Wir bleiben eben keine achtzehn“, erwiderte Lorenzo. „Da hatte ich wirklich noch eine Traumfigur.“
„Du kannst dich doch nicht beklagen“, beeilte sich Satorius zu sagen. „Du siehst aus, wie immer. …Na ja, vielleicht etwas älter. Aber sonst…“
„Ach, du schon wieder“, winkte Lorenzo mit strahlenden Augen ab.
Satorius lächelte.
Als Nachtisch hatte uns Lorenzo ein gigantisches Tiramisu gezaubert. Dazu tranken wir einen extrastarken Espresso.
Vor den Fenstern war die Nacht herabgesunken und es regnete. Die dicken Tropfen prasselten leise auf das Glasdach des angrenzenden Wintergartens.
„Ich bin froh, dass ihr die Sache mit den Pädophilen abschließen konntet“, meinte Satorius. „Das war für uns alle doch sehr belastend.“
„Das war es
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