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Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Wo die toten Kinder leben (German Edition)

Titel: Wo die toten Kinder leben (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roxann Hill
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zischte ich. „Fass hier nichts an. Das ist ein Tatort.“
„Ein Tatort?“
„Na das siehst du doch! Das muss ein solches Instrument sein, wie es die beiden Suizidopfer auch benutzt haben, um sich die Hände zu durchlöchern.“
Ich ging zum Tisch und sah mich gründlich um. Ich ließ meine Augen über den Raum schweifen, betrachtete beleuchtete Vitrinen, den überdimensionalen Plasmafernseher und die teure Stereoanlage. Auf einem Schreibplatz in der hinteren Ecke stand ein hochmoderner Laptop. Sein Bildschirm war dunkel. Aber das Lämpchen am Ein- und Ausschalter leuchtete.
Ich trat näher und drückte auf eine der Tasten. Ein Text erschien. Allerdings war es eigentlich kein Text.
     
Der Fluss der Fluss der Fluss der Fluss der Fluss DER FLUSS Der Fluss der Fluss der Fluss DER FLUSS der Fluss Der Fluss der Fluss
     
stand dort, unzählige Male, in unterschiedlichen Größen und in unterschiedlichen Schriftarten.
Paul beugte sich zur Tastatur, tippte herum und meinte dann: „Das ist erst vor Kurzem geschrieben worden.“
„Was soll das bedeuten?“, fragte ich.
Mit einem Mal richtete sich Paul kerzengerade auf. „Schnell, hoffentlich kommen wir nicht zu spät.“
Er rannte aus dem Haus. Ich folgte ihm dicht auf den Fersen. Wir rissen die Türen auf und hechteten ins Auto.
„Fahr schon!“, drängte er mich.
„Wohin?“
Er deutete in Richtung des Flusses, über den wir gekommen waren. Ich ließ den Motor aufheulen. Wir schossen mit quietschenden Reifen durch die engen Straßen der Siedlung. Bald sahen wir die gesperrte Brücke vor uns liegen.
„Halt an“, schrie Paul. „Halt sofort an.“
Ich legte eine Vollbremsung hin. „Und jetzt?“
Paul schwieg. Auf das Armaturenbrett aufgestützt, suchte er die verwaiste Baustelle ab. Seine Augen waren zu kleinen Schlitzen zusammengezogen. „Ich kann nichts erkennen. Du?“
An einem der Gitterstäbe der Brüstung war eine Schnur befestigt. „Komm“, sagte ich. „Da vorne.“
Wir sprangen aus dem Wagen, ließen die Türen offen und rannten los. Auf der Mitte der Brücke angekommen, erkannten wir, dass es sich bei der Schnur um ein dickes Hanfseil handelte. Es war um das Brückengeländer geknotet und hing straff nach unten.
Wir betasteten das Seil und blickten zum Fluss. Ein Körper hing leblos knappe zwei Meter unter uns. Seine Beine ragten halb ins Wasser hinein. Die Strömung riss an der Figur in einem weißen Leinenkittel - sie wurde wie von unsichtbaren Händen hin- und herbewegt.
„Hilf mir“, rief Paul. Ächzend kletterte er halb über die Brüstung und versuchte, das Seil zu packen. Es gelang ihm nicht.
„So geht das nicht!“, meinte ich.
„Wie denn dann?“
Ich hastete zurück zum Auto und kramte mein Abschleppseil aus dem Kofferraum.
„Schnell“, rief Paul, „schnell! Ich habe den Notruf verständigt. Aber vielleicht lebt sie ja noch. Wir müssen es versuchen. Bis die Sanitäter kommen, ist sie ganz sicher tot!“
Gemeinsam gelang es uns, eine Schlinge in das sperrige Drahtseil zu knoten.
„Du bleibst oben“, rief ich Paul zu, während ich die Böschung zum Fluss schlitternd herunterkletterte. Ohne zu zögern stieg ich ins eiskalte Wasser. Es war nicht tief, aber die Strömung zerrte heftig an mir und die Steine, die den Boden bedeckten, waren glitschig. Es dauerte viel zu lange, bis ich mich neben dem leblosen Körper der erhängten Frau befand.
Paul hatte sich mit schmerzverzerrtem Gesicht weit über das Geländer gebeugt. Das Abschleppseil, dessen Ende er in seinen Händen hielt, streifte fast das Wasser.
Ich legte die Schlinge um die Beine des Opfers und schob sie nach oben, soweit meine Arme reichten.
Paul erledigte den Rest. Er zog an dem Abschleppseil, bis sich die Schlinge unter den Achseln der Frau befand. Währenddessen kletterte ich mühsam ans Ufer, rutschte ein paar Mal aus und kam über und über mit Schlamm und Erde beschmiert wieder bei Paul an.
In der Zwischenzeit hatte Paul den Körper schon angehoben. Das Seil, das um den Hals der Frau geschlungen gewesen war, war nicht mehr gespannt. Ich schnitt es mit meinem Taschenmesser durch.
Gemeinsam hievten wir die leblose Frau vollends über die Brüstung und ließen sie auf den Boden gleiten. Ich beugte mich herab und riss an dem Strick, der sich tief in ihren Hals eingegraben hatte.
In diesem Moment ertönte eine Sirene, die schnell näher kam. Schritte trommelten auf den Beton und als ich aufblickte, sah ich zwei Sanitäter in hellroten Jacken vor mir stehen.
„Machen Sie Platz!

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