Wo die Toten ruhen - Psychothriller
lieber gewesen, er hätte dich mir weggenommen? Das bezweifle ich doch.« Esmé wechselte das Thema und sprach über all die wunderbaren Dinge, die sie tun würde, nachdem sie ihre Zeit hier abgesessen hatte, in acht bis zehn Jahren. Sie würde dann endlich das Haus renovieren, sagte sie. Sie fragte gar nicht erst nach, sondern ging davon aus, dass sie wieder in ihr Haus zurückkommen würde. Sie wusste noch nicht, dass es bereits verkauft worden war, um ihre Anwaltsrechnungen zu begleichen. Wohin sie gehen würde, wenn sie aus dem Gefängnis kam, darüber wollte Ray nicht nachdenken. Sie meinte, sie würde ihre Stelle im Granada Market kündigen und dafür ehrenamtlich in der Schule arbeiten.
Die Kündigung hatte sie bekommen, lange bevor sie sich der vorsätzlichen Tötung für schuldig erklärt hatte.
Und die Schule wäre wohl genau das Richtige für sie …
Esmé redete weiter. Sie liebte Kinder. Sie brauchte Kinder um sich herum. Aber Leigh und Ray hatten beschlossen, nicht mit dem Baby ins Gefängnis zu fahren, um Esmé zu besuchen. Ray wollte seine Mutter nicht verletzen, daher würde er es ihr womöglich erst an dem Tag sagen, wenn sie die Gefängnismauern hinter sich lassen und in ihr Leben zurückkehren konnte - oder in das, was davon noch übrig war.
Er überließ sie eine Weile ihren Gedanken und machte sich währenddessen seine eigenen. Wie immer staunte er hauptsächlich darüber, dass diese Frau ihn so sehr geliebt haben musste, dass sie seinen Vater umgebracht hatte.
Er hörte ihr zu, sah sie an, und es machte ihn unendlich traurig.
Beau lächelte, ruderte mit den Ärmchen und strampelte mit seinen runden Beinchen. Nachdem Raoul ihm die Windeln gewechselt hatte, beruhigte er sich und lag friedlich in den tiefblauen Kissen in seinem Kinderbettchen. Kat kam herein, um den Wickeltisch abzuräumen. Raoul beugte sich über das Bettchen und spielte mit Beaus kleinen Fingern.
Er und Kat hatten für Jacki ein wenig Unterstützung organisiert, und Jacki arbeitete wieder halbtags.
Kat traf sich häufig mit Zak.
Nach mehreren Wochen Funkstille hatte Zak schließlich angerufen.
»Hallo.«
»Hallo.« Kat, die ein Hühnchencurry kochen wollte, hackte gerade in der Küche Zwiebeln klein und hielt das Telefon zwischen
Ohr und Schulter geklemmt. In der Hand hielt sie ein neues Messer, vor ihr ausgebreitet lag ein dickes Kochbuch, und alles in allem frönte sie einem neuen Hobby: Sie genoss es neuerdings viel mehr, für sich zu sein als in Gesellschaft irgendwelcher anderen Leute.
An diesem Abend jedoch kamen Ray und Leigh zu ihr. Sie trafen sich inzwischen häufig. Heute würde Ray ihr sicher erzählen, dass Leigh schwanger war, und sie überrascht tun, als hätte Leigh es ihr nicht schon vor einem Monat bei einem ihrer ausgedehnten Mittagessen erzählt.
»Dann …«, sagte Zak.
Kat nahm das Brett mit den klein geschnittenen Zwiebeln und kippte sie in den Wok. »Dann …«
»Ich habe versucht zu begreifen, warum es zwischen uns nicht geklappt hat, und ich würde die Sache gerne klären.«
»Okay.«
»In den zwei Jahren, bevor ich dich kennen lernte, hatte ich keine einzige Verabredung. Ich habe einen Bruder, der ein bisschen so ist wie Jacki; er macht sich Sorgen, ich könnte ewig Junggeselle bleiben. Manchmal macht mich das nervös, und es hat mich wirklich nervös gemacht, weil … ich mag dich, aber du scheinst nicht sehr auf mich zu stehen. Also setze ich jetzt alles auf eine Karte, denn dann weiß ich wenigstens, woran ich bin. Weißt du was? Ich hasse Inlineskaten. Du kamst mir vor wie eine, die gerne Spaß hat, da schien es mir das Richtige zu sein. Ich lese viel, hauptsächlich Sachbücher, aber ich kann mich auch für Krimis begeistern. Ich gehe in sämtliche Kinofilme, die je gedreht wurden, und ich esse riesige Portionen Popcorn mit Butter. Ich mache gerne Spaziergänge in meinem Viertel. Und im Großen und Ganzen mag ich mein Leben so, wie es ist. Es ist … glücklich. Wunderbar langweilig.«
»O Zak!« Wie phantastisch. Er hatte auch Spielregeln fürs
Kennenlernen. »Wir haben ziemlich unbeholfen angefangen, was?«
»Aber du hast mich überrascht, als du über dich gesprochen hast. Und ich hatte das Gefühl, du hättest dasselbe auch von mir verdient. Ein kleines Stück Wahrheit. Wenn ich mich so umschaue, wie andere in Hypotheken und Bergen von Babywindeln ersticken - dazu bin ich noch nicht bereit, Kat. So, jetzt weißt du es.«
Sie schnupperte an dem Currygericht, dann
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