Wo die Wasser sich finden australien2
sie.
»Iss auf. Es wird ein anstrengender Tag und eine anstrengende Nacht.«
»Tom hat uns Regen geschickt. Bestimmt tritt der Fluss zu Hause bald über die Ufer. Hoffentlich sitzen Inky und Hank nicht auf der Weide am Flussufer fest.«
Charlie sah sie ernst an, nahm ihr die Schüssel aus der Hand und stellte sie auf das Frühstückstablett zurück. Dann legte er die Arme um Rebecca und zog sie an seine Brust. Seine geflüsterten Worte strichen sanft über ihren Kopf.
»Komm schon, Bec. Heute bekommen wir unsere Abschlusszeugnisse. Sei nicht traurig. Tom wird bei dir sein. Heute sollten wir uns einfach nur amüsieren. Unsere Freunde treffen, etwas trinken. Ich sage nicht, dass du deine Trauer vergessen sollst. Ich sage nur, dass du sie beiseiteschieben sollst. Nur heute. Damit du vielleicht das Gefühl bekommst, dass du weitermachen möchtest.«
Sie löste sich von ihm. »Womit weitermachen?«, fragte sie wütend, dann rannte sie ins Bad und knallte die Tür hinter
sich zu. Sie stellte sich unter die Dusche und ließ die heißen Wasserstrahlen auf ihre gerötete Haut prasseln. Sie hatte die Tage, Wochen und zuletzt Monate gezählt, die sie inzwischen seit Toms letztem Tag auf Erden zurückgelegt hatten. Sie hatte versucht, sich in seine Gedanken und Stimmungen zu versetzen. Sie sah vor sich, wie er allein in seiner Hütte saß, und sie weinte jedes Mal, wenn sie an Hank und Ink Jet dachte, die jetzt ohne Toms Liebe auf Waters Meeting überdauern mussten.
Unter der Dusche ließ Rebecca die vergangenen zwei Monate Revue passieren. Sie lagen wie im Nebel. Nur mit Mühe konnte sie sich daran erinnern, was ihre Tage ausgefüllt hatte. Eigentlich hatte sich nur die Trauer in ihr Gedächtnis eingebrannt … die Trauer mit ihrem unerträglichen Schmerz. Sie entsann sich, gemeinsam mit ihren Kommilitonen die letzten Prüfungen absolviert zu haben, obwohl Ross ihr angeboten hatte, sie später nachzuholen. Sie hatte an ihrem Pult gesessen und, einen Kloß in der Kehle und den Tränen nahe, ihre Antworten hingeschrieben. Sie konnte sich nicht entsinnen, in welchen Fächern sie Prüfungen geschrieben oder welche Antworten sie in die Hefte eingetragen hatte, bevor die Prüfungsaufsicht verkündete: »Die Zeit ist um!«
Nach der letzten Prüfung hatte sie ihre Bücher in Kartons gepackt und ihre Möbel an einen Studenten im zweiten Jahr verkauft. Sie hatte Gabs, Emma, Dick und Paddy zum Abschied umarmt und alle Hunde hinten auf dem Pick-up angebunden, wobei sie eine weitere Kette für Bessie befestigt hatte. Dann hatte sie Charlie geküsst.
»Ich muss eine Weile weg, nur bis zur Abschlussfeier.« Sie ertrug es nicht, den Schmerz in Charlies Augen zu sehen, darum fuhr sie eilig los, ohne sich noch einmal umzudrehen.
Sie war wieder einmal nach Norden gefahren. Zurück in ihre Unterkunft auf Blue Plains, zurück zu Bob und Marg. Um Trost in einer Art von Zuhause zu suchen. Doch dort
oben hatte sich so vieles verändert. Sie hatte sich verändert. Die Trauer hatte sie altern lassen. Sie war weiser, tiefgründiger und ernster geworden, seit sie Toms Tod in sich trug. Ihre Hunde spürten das ebenfalls und pressten, als milden Trost, ihre feuchten Schnauzen in Rebeccas Handflächen. Nach einem Monat war ihr klar, dass sie Blue Plains wieder verlassen musste. Toms Tod war dort oben nicht weniger real. Es war zu früh, als dass sie versuchen wollte, wieder zu dem Leben zurückzukehren, das sie hinter sich gelassen hatte. Darum war Rebecca weitergefahren.
Jetzt drehte Rebecca in ihrem Motelzimmer die Dusche ab. Sie wusste, dass sie für Charlies Liebe und Güte dankbar sein sollte. Das winzige, kratzige Handtuch um den Leib geschlungen, trat sie aus dem Bad ins Schlafzimmer. Sie schenkte Charlie ein winziges Lächeln, und schon war er bei ihr, drückte sie in seine starken Arme, küsste das Wasser weg und liebte sie. Rebecca dürstete danach, sein Leben zu spüren, und erwiderte seinen Kuss voller Leidenschaft. Sie war froh, wieder mit ihm zusammen zu sein.
Die Absolventen unter ihren geliehenen Baretten und den schwarzen, flatternden Talaren stopften die Urkunden unter ihre Kleider und rannten aus dem Gebäude. Lachend liefen sie in den prasselnden Regen. Rebecca und Charlie waren unter ihnen. Wie schwarze Krähen flogen sie über die silbrig nasse Fahrbahn und die Straße entlang, bis sie in das stille, warme Pub platzten.
»Hey, Dave!«, rief Gabs, »können wir unsere Sachen in deinem Hinterzimmer ablegen?«
»Klar! Kein
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