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Wo die Wasser sich finden australien2

Wo die Wasser sich finden australien2

Titel: Wo die Wasser sich finden australien2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: treasure
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lenkte Harry kurzfristig von seiner Zeitungslektüre ab. Zögerlich nippte er an seinem zu heißen Tee und überflog dann weiter die Kleinanzeigen. Eine stach ihm ins Auge. Sie trug das Symbol der Landcare-Organisation. Zwei an den Fingerspitzen zusammentreffende Hände formten grob die Umrisse des australischen Kontinents nach. Mit zusammengekniffenen Augen las er das Kleingedruckte. Sie boten Kredite für Unkrautvernichtungsmaßnahmen an den Flussufern oder für Wiederaufforstungsprojekte an.
    Als er gestern auf der Auslaufweide hinter den langsam dahinziehenden Herefordrindern hergeritten war, waren ihm die dunkelgrün wuchernden Brombeeren am Flussufer aufgefallen. Aus dem dunklen Gestrüpp hatten sich die hellgrünen Blätter frischer Triebe hervorgeschlängelt. Er hatte aufgehört zu zählen, seit wann die Jungs weg waren, aber dass dieses wild wachsende Unkraut seinen geliebten Fluss zu ersticken drohte, weckte sein letztes bisschen Stolz. Rebeccas Worte kamen ihm in den Sinn: »Du wirst noch alles verlieren. « Er sprach sie laut aus und erkannte, dass er längst alles verloren hatte. Seine Frau, seine Kinder. Auch Tom hatte ihn verlassen. Der Fluss und das Unkrautgestrüpp kamen ihm plötzlich nicht mehr so wichtig vor. Obwohl er vorerst noch sein Land besaß und die Berge und den Himmel, hatte er in Wahrheit nichts mehr. Gar nichts mehr.
    Ink Jet spritzte mit ihrem matten Fell durchs Wasser hinter den dürren Kühen her. Von ihrem Rücken aus hatte Harry zu seinem Farmhaus aufgeschaut. Er hatte das Gefühl gehabt, das Anwesen zum ersten Mal seit vielen Jahren
wirklich wahrzunehmen. Als würde er es mit den Augen seines Vaters und seines Großvaters sehen, die genau wie er auf die Gebäude und Koppeln zugeritten waren. In der sanften Nachmittagsbrise waren sie von den Toten zurückgekehrt und von der Hochebene herabgeschwebt, um zu sehen, wie ihr Vermögen zu verfaultem Holz und Rost verkommen war. Allein seinetwegen.
    Als er Ink Jet abgesattelt und den Sattel im Schuppen aufgehängt hatte, waren seine Finger auf dem ledernen Sattelgurt zu liegen gekommen. Wie leicht es wäre, sich hängen zu lassen. Das Leder um seine Kehle zu legen und sich von einem Dachsparren hängen zu lassen. Harry hatte gerade den Gurt durch die Schlitze des Sattels gezogen, als er spürte, wie sich die Katze an seinem Bein rieb. Er hatte nach unten gesehen, und die Katze hatte zu ihm aufgesehen.
    »Rrrrr-rrr«, hatte die Katze zu ihm gesagt.
    Er hatte gelächelt.
    Jetzt riss Harry im verschlafenen Wintergarten die Anzeige aus der Zeitung. Im gleichen Moment kam die Katze in die Küche stolziert, rieb sich langsam an den festen, hölzernen Tischbeinen und begrüßte ihn.
    Danach legte sie sich auf einen sonnigen Fleck und beobachtete Harry. Aus schmalen Augen heraus. Langsam stand Harry auf, denn nach dem gestrigen Ritt tat ihm jeder einzelne Muskel weh. Er schnitt eine Scheibe Käse von einem dicken Brocken ab und warf sie der Katze zu. Dann schlurfte er zum Telefon.
    Der erste Anruf galt den Nachbarn, um Heu für das Vieh aufzutreiben. Es war noch zu kalt, als dass er es riskiert hätte, so abgemagerte Kühe auf die Hochebene zu treiben. Er musste Heu kaufen, um sich Zeit zu kaufen – möglichst bis sich die Wiesen am Fluss erholt hatten. Die längeren Regenfälle, die der Ostwind gebracht hatte, hatten das Gras wachsen lassen, aber es war so von Unkraut durchsetzt, dass
er Dünger und neues Saatgut brauchte und vor allem noch mehr Regen. Wie er diese Wiesenaufbereitung bezahlen sollte, wusste er beim besten Willen nicht. Genauso wenig wie er wusste, wie er die Kühe trächtig machen sollte. Er hatte nicht einmal einen Stier.
    Die Stimme seines Nachbarn Gary Tate kam aus dem Hörer, und Harry merkte, dass es ihm schwerfiel, einen Anfang zu finden. Er räusperte sich, und dann begann Harry Saunders zum ersten Mal in seinem Leben zu betteln. Im ersten Moment erschrak Gary, dass Harry ihn anrief, doch dann begann er sich an dessen Leid zu laben. Er genoss den Anruf.
    »Das wird nicht billig, fürchte ich«, sagte Gary schmallippig. »Wir haben zwar Bewässerung, aber wir brauchen auch ein paar Ballen für unser eigenes Vieh, und wie du weißt, ist Heu zurzeit knapp … Es wird von Tag zu Tag teurer. Wir brauchen Regen.«
    Harry biss sich auf die Unterlippe und gab Gary widerwillig recht. Doch als Gary ihm den Preis nannte, stockte ihm kurz der Atem. Nachdem Harry aufgelegt hatte, hätte er am liebsten kehrtgemacht, um durch den Flur

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