Wo die Wasser sich finden australien2
ins Esszimmer und zu dem dunklen, staubigen Küchenschrank zurückzukehren, in dem die dunklen Karaffen mit bitter schmeckendem Sherry standen. Doch stattdessen griff er noch einmal zum Hörer und tippte mit dem Finger die kostenfreie Nummer ein, die auf der Landcare-Anzeige angegeben war. Eine Dame mit geschmeidiger Stimme schaltete seinen Anruf zur zuständigen Niederlassung des Landwirtschaftsbüros weiter.
»Ich wollte den Mann von Landcare sprechen«, sagte er zu der nächsten Frauenstimme in der Telefonzentrale.
»Ich stelle Sie durch …«
Er hörte ein Klicken und lauschte dann der Pausenmusik – Vivaldi, schoss es ihm durch den Kopf. Er schaute der Katze zu, die in der Sonne ihre Hinterpfote leckte.
»Hallo …«
Kurzfristig verunsichert durch die jugendliche Frauenstimme, kam Harry ins Stottern. »Ähh. Ja … Ich rufe wegen Ihres Programms für Flussufer an … ähm …«
Die heitere und gut gelaunte Stimme am anderen Ende der Leitung schien Harrys Verunsicherung zu spüren und half ihm auf die Sprünge. »Ja, da bin ich die Richtige … Ich bin die neue Landcare-Vertreterin und die Landwirtschaftsberaterin für Ihre Region. Darf ich Sie nach Ihrem Namen fragen?«
»Hier ist Harry Saunders. Von Waters Meeting.«
Es blieb still.
»Das gibt’s doch nicht. Hier ist Sally, Mr Saunders. Sally Carter.«
Im ersten Moment sagte ihm der Name nichts. Die Stimme setzte nach: »Rebeccas Freundin.«
Harry stand da wie vom Blitz getroffen. Es war das erste Mal seit fast einem Jahr, dass er den Namen seiner Tochter ausgesprochen hörte. Sally spürte seine Befangenheit und hakte sofort ein: »Wenn Sie morgen Zeit hätten, könnte ich um zehn Uhr vormittags vorbeikommen. Dann könnten wir die verschiedenen Möglichkeiten besprechen.«
»Ähhh …«
»Sehr gut. Ich weiß ja, wie ich zu Ihnen komme. Bis dann.« Sie legte schnell wieder auf.
Eine Weile blieb Harry neben dem Telefon stehen. Erinnerungen an Sally erwachten zum Leben. Er sah vor sich, wie die dünne, redegewandte Arzttochter mit seiner Tochter im Fluss planschte und schwamm. Harry lächelte, trat an die Spüle und drehte den Wasserhahn auf. Es war höchste Zeit, den Abwasch zu machen.
In ihrem Büro in der Stadt lehnte sich Sally in ihrem Schreibtischstuhl zurück und starrte das Telefon an. Diesmal würde sie ihn nicht vom Haken lassen, o nein, dachte sie. Sie
brauchte nicht einmal zwei Stunden zu fahren, um dorthin zu kommen, wo Harry in Socken in seiner Küche stand. Sie müsste ein paar Termine auf anderen Farmen verschieben, aber diese Gelegenheit würde sie sich keinesfalls durch die Lappen gehen lassen.
Sie starrte auf die Fische, die über ihren Computerbildschirm schwammen. Dann schluckte sie und seufzte. »Rebeccas Freundin.« Sie hatte nicht das Gefühl, ihr eine Freundin zu sein. Seit Toms Beerdigung hatten sie sich kaum gesehen. Sally konnte das Gefühl nicht abschütteln, schuld an seinem Tod zu sein. Sie hatte Bec nicht einmal angerufen, um ihr von ihrem neuen Job in der alten Heimat zu erzählen. Dass sie die Männerjagd und das aufregende Stadtleben aufgegeben hatte, erschien ihr plötzlich trivial. Ausgelöst hatte diese Veränderung Toms Tod.
So oft hatte sie zu einem Brief an Rebecca angesetzt. Jedes Mal hatten ihre Worte dramatischer und emotionaler geklungen. Immer wieder hatte sie eine Seite geschrieben, sie durchgelesen und dann in ihren schlanken Händen zerknüllt. Dann hatte sie erneut angesetzt, diesmal mit Tränen in den Augen. Bis sie aufgab. Jetzt eröffnete ihr Harrys Anruf eine Chance, das war ihr bewusst. Eine Chance, ihre Freundschaft mit Rebecca zu retten, und eine Chance, irgendwie mit Tom ins Reine zu kommen.
In blauer Tinte kritzelte sie in ihren Terminkalender: »Waters Meeting, 10 Uhr«. Plötzlich stand ihr der Geschäftsplan von damals wieder vor Augen. Wo hatte sie ihre Kopie nur hingelegt? Ihr fiel der Karton mit den Universitätsbüchern ein, der zu Hause in ihrem Schlafzimmer stand. Heute Abend würde sie alles noch einmal durchlesen.
Sie griff nach ihrem Adressbuch und schlug unter Bec nach. Eine ganze Reihe von Nummern standen ausgestrichen neben ihrem Namen. Die Letzte stammte von Rebeccas Wohngemeinschaft an der Tablelands Uni. Sally hatte
gehört, dass Bec auf die Farm ihres Freundes gezogen war. Sie kratzte sich mit dem Stift am Kopf. Wie hieß dieser Basil in Wahrheit? Charlie? Charlie … Lewis.
Eine gelangweilte Stimme bei der Auskunft fragte: »Haupthaus oder Hütte Eins?«
Ohne
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