Wo die Wasser sich finden australien2
verfluchte Mutter! Sieh mich an! Ich bin hier verloren, das weißt du genau! Und wie kannst du es wagen, Tom da hineinzuziehen? Wenn ich nicht zurückgehe, dann ist Tom tatsächlich umsonst gestorben! Begreifst du das nicht? Was soll ich hier, wo deine Mutter uns ständig im Genick sitzt und dein Vater über jeden deiner Schritte bestimmt? Du bist ein anderer Mensch, Charlie, sobald du hier bist. Das bist nicht du, das ist nicht der Charlie, den ich damals im Fluss geküsst habe. Hier verlierst du deine Kraft. Hier verlierst du dich selbst.«
»Ach was! Du musst ja wissen, wie man sich selbst verliert! Du hättest dich inzwischen ins Unglück gesoffen, Rebecca … genau wie dein Vater. Komm du mir nicht mit meinen Familienproblemen. Ich habe mich lange genug mit deinen herumgeschlagen.«
Plötzlich explodierten die jahrelang unterdrückten Gefühle in Charlie. Er wollte Rebecca um keinen Preis gehen lassen. Sie hörte die Panik in seiner Stimme. Sie hatte die Fäuste gegen die Schläfen gepresst und weinend sein Gebrüll ertragen.
Jetzt saß sie hier auf dem Bewässerungsdamm. Ein winziger Punkt inmitten eines endlosen Flickenteppichs aus gigantischen Rechtecken, die von schnurgeraden dahinströmenden
Wasserstraßen geteilt wurden. Rebecca in dieser Landschaft ohne jeden Fluss.
Sie hörte den Pick-up, bevor sie ihn sah. Charlie fuhr langsam auf sie zu und stellte den Wagen neben ihrem Quad ab. Als er aus der Kabine stieg, stand sie auf. Er kam zu ihr auf den Damm, nahm sie wortlos in die Arme und drückte sie an seine Brust. Sie erwiderte den Druck und spürte das Leben in ihm, spürte seine so gute Seele. Sie liebte jede Faser, jeden Zentimeter, jeden Teil von ihm.
»Es tut mir leid«, sagte er.
Nach einer Weile nahm er sie an der Hand. »Komm mit«, sagte er. »Ich mache dir Fischstäbchen zum Abendessen.«
Kapitel 38
Harry war selbst überrascht, dass er das zu dieser großen, gut gekleideten jungen Frau sagte.
»Wie geht es Rebecca so?« Die Worte purzelten unbeholfen aus seinem Mund, auch, weil er nicht die Kraft aufbrachte, Sally dabei in die Augen zu sehen. Sie saß auf der Sitzbank im Führerhaus des Pick-ups und sah angestrengt nach vorn, während sie auf dem Feldweg über die Weiden am Fluss holperten.
Sally lächelte freundlich und wandte den Blick von den traurigen Überresten der hoffnungslos überweideten Luzernen ab, die nach der Dürre ums Überleben kämpften. »Es geht ihr gut. Sehr gut. Charlie auch.«
Sie musste an den gestrigen Anruf denken. Ihr Herz hatte wie wild geschlagen, als sie Rebeccas Stimme gehört hatte. Sie konnte nicht abschätzen, wie ihre Freundin reagieren würde, nachdem Sally so plötzlich aus Rebeccas Leben verschwunden war. Aber gleich darauf hatte sie das Lächeln in Rebeccas Stimme gehört. Sie hatte sich von Herzen gefreut, von Sally zu hören. Nachdem Sally mit ihr darüber diskutiert hatte, ob sie Harry wohl umstimmen konnte, Rebecca wieder auf der Farm aufzunehmen, hatte sich das Gespräch vor allem um Tom gedreht.
»Ich weiß, dass ich mich nicht so um dich gekümmert habe, wie ich es hätte tun müssen«, sagte Sally leise. Sie hätte eigentlich erwartet, dass Rebecca sie mit einer ironischen Bemerkung aufrütteln würde, aber stattdessen hatte sie zur Antwort bekommen: »Ich kann das verstehen. Ich weiß, du hast dich irgendwie auch für Toms Tod verantwortlich gefühlt, Sal …«
Sally wusste nicht, wie sie darauf reagieren sollte, und schwieg deshalb.
»Aber du warst wirklich nicht daran schuld. Niemand war schuld. Tom brauchte jemanden, auf den er seine Träume richten konnte, und dieser Jemand warst zufällig du.«
»Wenn ich die Uhr zurückdrehen könnte …«
»Das ist doch Quatsch«, war ihr Rebecca ins Wort gefallen. »Du hättest nicht zu Tom gepasst, das wissen wir beide, also brauchst du solche Sachen gar nicht erst zu denken.«
Plötzlich riss Harrys Stimme Sally in die Gegenwart zurück.
»Hat sie einen Job?«, fragte Harry.
»Sie hat nicht wirklich gesucht. Sie leistet tolle Arbeit auf Charlies Farm … Seine Familie profitiert enorm von ihren Fähigkeiten«, log sie.
Sally wollte keinesfalls zu viel verraten. Sie würde ihn ein bisschen hinhalten. Um festzustellen, wo er stand, wenn es um die Zukunft seiner Tochter ging.
Trotz allem tat ihr Harry unwillkürlich leid. Sie war entsetzt gewesen, als sie zum Haus hinaufgefahren war. Immerhin war dies das Haus, von dem sie als Kind immer geträumt hatte. Obwohl sie viele Wochenenden auf
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