Wo die Wasser sich finden australien2
seinem zu schmalen Bett schlief. Dann zuckte ihr Blick zu ihm zurück, und sie erkannte entsetzt, dass der alte Mann ihr Vater war.
Sie sah Charlie an und deutete auf das Bett. Sein Blick folgte ihrer verzagten Geste und kam auf Harry zu liegen. Alle drei starrten auf die Stelle, wo sein rechter Arm hätte sein sollen. Auf dem Kissen ruhte stattdessen ein abgerundeter, in dicke Verbände gepackter Stumpf.
Als Rebecca an sein Bett trat und ihn am linken Arm berührte, schreckte er aus dem Schlaf.
»Oh! Hallo!«, krächzte er leise. Er zog die Decke hoch, als versuche er seine Verlegenheit zu verdecken. Rebecca stellte entsetzt fest, wie schwach er wirkte.
Sie versuchte nicht auf den Bluterguss zu starren, der tiefschwarz unter dem Verband begann und sich über seiner
nackten Brust und dem Hals in seltsamen gelblich-lila Schattierungen aufzulösen schien.
»Wie geht es dir, Dad?«
»Könnte besser gehen.« Seine Stimme drang als heiseres Flüstern durch die trockenen, aufgesprungenen Lippen. Das Weiß seiner Augen war vergilbt. Während er redete, blickte er stumpf auf das Fußende des Bettes. Seine Tochter sah er nicht an. Im Raum war es bis auf das Schnarchen eines anderen Patienten und das Geplapper aus dem hoch in der Ecke montierten Fernseher still.
»Ich glaube, du hast Charlie noch nicht richtig kennengelernt, Dad. Charlie Lewis.« Rebecca nickte zu Charlie hin, der neben ihr stand. Harry sah ihn an und erklärte mit schwacher Stimme: »Ich würde Ihnen ja die Hand geben, aber …« Seine Stimme erstarb.
Charlie wusste nicht recht, ob er über Harrys halbherzigen Scherz lachen sollte, und hob stattdessen winkend die Hand. »Sehr erfreut, Sie kennenzulernen, Mr Saunders.«
»Sal kennst du ja.«
Harry nickte in ihre Richtung.
Wieder Schweigen. Charlie und Harry drehten das Gesicht dem Fernseher zu und verfolgten den Kurzbericht über ein Golfturnier. Sally wühlte in ihrer Tasche und förderte ein Sortiment von Landcare- und landwirtschaftlichen Zeitschriften zutage.
»Die habe ich Ihnen mitgebracht.« Sie legte die Hefte auf das Tischchen neben seinem Bett. Als er ihr zum Dank zunickte, begann Rebeccas Herz zu rasen. Sie spürte, wie ihr Puls unter der Haut an ihrem Hals hämmerte. Sie sah das Profil ihres Vaters und wollte ihn nur noch anbrüllen. Sie wollte ihn schlagen, ihn prügeln und kratzen, ihren ganzen Zorn über Toms Tod über ihm ausschütten. Ihn hassen. Ihn verhöhnen. Auf ihn spucken.
Stattdessen wandte er ihr das Gesicht zu und sagte: »Bec.
Es tut mir leid. Ich habe nicht erwartet, dass du kommst.« Tränen begannen über die roten Lider unter seinen Augen zu laufen, dann begann er zu zittern und zu schluchzen. Verlegen wischte er mit der linken Hand über sein Gesicht und verschmierte dabei die Tränen über seine Wangen. Charlie schaute angestrengt auf den Fernseher. Sally schob die Zeitschriften zurecht, und Bec stand wie betäubt am Bett, ohne zu wissen, was sie jetzt sagen sollte, während Harrys Schultern zuckten und bebten und er sich mit dem Handrücken Rotz und Speichel aus dem Gesicht wischte.
»Entschuldige. Ihr solltet jetzt gehen. Es tut mir leid.« Seine Worte waren praktisch nicht zu verstehen. Er versuchte, sie noch einmal auszusprechen, doch diesmal stieg nur ein tiefes, leidendes Schluchzen aus seiner Brust. Die anderen Patienten drehten ihm die Köpfe zu. Charlie und Sally sahen einander an und gingen aus dem Zimmer. Rebecca fasste nach der Schachtel mit Papiertaschentüchern auf seinem Bettkasten, weil ihr inzwischen ebenfalls die Tränen übers Gesicht liefen. Sie rupfte ein Tuch heraus und stellte die Schachtel dann neben ihm ab. Danach zog sie den blauen Vorhang rund um sein Bett zu und ließ ihn allein. Mit langen Schritten eilte sie durch den Korridor und versuchte dabei, das Schluchzen des Mannes in ihrem Rücken auszublenden.
Draußen erschütterten die grelle Sonne und das Dröhnen des Verkehrs hinter dem Krankenhausgarten Rebeccas Sinne. Bec, Charlie und Sally blinzelten ins grelle Licht und wussten nicht, was sie tun oder sagen sollten.
»Sollen wir uns ein paar Minuten dorthin setzen?«, schlug Sally vor und deutete auf eine Bank unter einer schattigen Eiche.
Auf der Bank legte Charlie den Arm um Bec, und sie ließ den Kopf auf seine Schulter sinken. In der geballten Faust hielt sie ihr durchnässtes Taschentuch umklammert. Sal
stieß mit dem Fuß nach dem Haufen von Zigarettenstummeln, der sich auf den Holzschnitzeln unter der Bank aufgetürmt
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