Wo die Wasser sich finden australien2
sie.
Wie ein geisterhafter Schatten ging Frankie im ganzen Haus die Wege der Vergangenheit ab. Als sie in Harrys Zimmer trat, traf sie der Geruch wie ein Schlag ins Gesicht. Sein Geruch. Sie machte einen Schritt auf das Bett zu, das sie einst geteilt hatten, und betrachtete die ungemachten, verhedderten Laken und Decken. Es sah aus, als würde er immer noch darin schlafen. Sie streckte eine Hand aus und spürte die Kälte der Überdecke. Dann drehte sie sich um und schloss die Tür zu seinem Zimmer und zu ihrer Vergangenheit.
Draußen sah sie, Toms Pullover immer noch an ihre Brust drückend, zu den zahllosen Sternen auf, die den Nachthimmel überzogen. In der kalten Luft überlief sie eine Gänsehaut. Sie spazierte barfuß über den kühlen Beton des Fußwegs und dann quer durch das taunasse Gras in die tiefschwarze Garage. Inmitten von Staub, totem Laub und weiß verkrustetem Schwalbenmist ging sie in die Hocke und begann zu weinen. Sie schluchzte in die Wolle von Toms Pullover. Frankie hockte weinend da und sah im Geist ihren Sohn über ihrem Kopf baumeln.
Kapitel 42
Charlie ließ sich nicht davon abbringen, mitzukommen, und warf seine Reisetasche hinten in Rebeccas Subaru. Die vier Hunde schnupperten vom Ende ihrer kurzen Ketten aus an der Tasche und wedelten mit dem Schwanz, als er auf den Beifahrersitz sprang. Rebecca sagte kein Wort. Sie startete den Pick-up und fuhr eilig von der Hütte weg. Charlies Mutter trat aus dem Haus, blieb bei der Hecke stehen und sah ihnen langsam winkend nach. In der Hand hielt sie eine Keksdose, die sie den beiden mitgeben wollte, bevor sie die lange Fahrt in die Stadt antraten.
Rebecca raste über den Rost. Wieder ging ihr Sallys Anruf durch den Kopf.
»Bec, ich habe bei uns im Büro gehört, dass dein Vater gestern einen Unfall hatte. Hat dich schon jemand angerufen?«
Rebeccas Gedanken überschlugen sich. Ein Unfall? War er tot?
»Nein. Mich hat niemand angerufen«, sagte sie schnell.
»Ich weiß nur, dass er gestern Abend ins Royal Hospital geflogen wurde. Ich habe es gerade erst erfahren. Soll ich hinfahren … und mich erkundigen, wie es ihm geht?«
Bleich und plötzlich außer Atem sank Rebecca auf einen Stuhl.
»Ja. Sal. Ja, ich fahre sofort los. Ich fahre gleich runter. Wir sehen uns heute Nachmittag dort.« Nachdem sie aufgelegt hatte, rannte sie auf die Toilette. Sie musste sich übergeben.
Jetzt im Wagen versuchte Rebecca, ihre Reaktion auf die Nachricht zusammenzufassen. Im ersten Moment war da blanke Angst um ihren Vater gewesen. Was war ihm zugestoßen? Würde er sich erholen? Musste er sterben? Jetzt, nachdem
sie Zeit zum Nachdenken gehabt hatte, wusste sie nicht mehr so recht, was sie empfand. Sally konnte ihr keine Einzelheiten erzählen, und als sie im Krankenhaus angerufen hatte, hatte ihr die Schwester lediglich mitgeteilt, sein Zustand sei stabil. Sie wusste nicht genau, warum sie sich nach allem, was zwischen ihnen passiert war, verpflichtet fühlte, zu ihm zu fahren. Sie hatte versucht, Mick und Trudy anzurufen, doch nur deren Anrufbeantworter mit Trudys Singsang-Ansage erreicht. Während sie gepackt und den Pick-up aufgetankt hatte, hatte sie auch versucht, Frankie anzurufen. Nachdem in der Wohnung niemand ans Telefon gegangen war, hatte sie dort ebenfalls eine Nachricht aufgesprochen.
In der Tierklinik war Charlotte ans Telefon gegangen. »Nein, tut mir leid, Rebecca, deine Mum ist nicht hier«, hatte sie gesagt. »Sie hat sich eine Woche freigenommen und ist mit Peter weggefahren … keine Ahnung, wohin.«
Wütend hatte Rebecca den Hörer auf die Gabel geknallt.
»Das ist so verflucht typisch«, sagte Bec zu der Straße vor ihr, als sie an ihre Mutter dachte.
»Was denn?«, fragte Charlie.
»Mum. Sie ruft mich so gut wie nie an, und wenn sie in Urlaub fährt, sagt sie mir nicht einmal Bescheid, wohin sie fährt. Jetzt darf ich ganz allein mit dieser Geschichte fertig werden. Wie verflucht noch mal immer.«
Charlie sah Bec an und schob eine Haarsträhne hinter ihr Ohr. »Das wird schon wieder, Bec«, sagte er leise. »Außerdem musst du nicht allein damit fertig werden. Ich bin bei dir.«
»Ach, ich weiß nicht, Charlie«, sagte sie, als hätte sie ihn gar nicht gehört. »Früher dachte ich immer, Mum ist das Superweib, weil sie es mit Dad und ihrer vielen Arbeit und obendrein mit uns Kindern aufnimmt … aber inzwischen … jetzt, seit Tom, hat sich das geändert. Plötzlich habe ich das Gefühl, dass sie nie wirklich für uns da war.
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