Wo die Wasser sich finden australien2
ihm. Ihr Vater war vielleicht ein harter, schweigsamer Mann, aber er war ganz bestimmt kein Lügner.
Mit flehender Miene fuhr er fort: »Wenn du heimkommen möchtest, steht dir Waters Meeting offen. Bitte verzeih mir, dass ich so lange gebraucht habe, um zur Einsicht zu kommen.«
Rebecca wusste, dass er Tom meinte, aber seinen Namen auszusprechen, tat Harry noch zu weh.
»Was sagst du dazu?« Er streckte die verbliebene Hand
über seinen Körper und deckte sie leicht über Rebeccas Hand.
»Ich weiß nicht, was ich sagen soll«, antwortete sie mit Tränen in den Augen, während sie die ungewohnte liebevolle Berührung zu verarbeiten versuchte.
»Dann sag erst einmal nichts«, sagte Harry. »Komm einfach her, und lass dich umarmen.«
Vorsichtig beugte sich Rebecca über ihren Vater, der verlegen die Hand um ihren Kopf legte und sie an seine Brust zog. Er roch nach Seife. Sie befürchtete, gleich loszuheulen, doch stattdessen versteifte sie sich, so als könnte sie der Situation nicht trauen. Nach ein paar Sekunden löste sie sich aus seinem Griff.
»Tut mir leid, ich war nie ein großer Freund von Umarmungen«, bekannte Harry. »Andernfalls wäre deine Mutter vielleicht länger geblieben.«
Rebecca schüttelte traurig den Kopf, und dann begannen die Tränen zu fließen. Erst nach einer Weile merkte sie, dass Harry sie in den Arm genommen hatte. In seinen einen, starken Arm. Und ihr Haar mit seiner einen, starken Hand streichelte. Sie spürte, wie er sie auf den Scheitel küsste und sie zu beruhigen versuchte. Dann sprach er es aus. Er sagte: »Ich liebe dich.« Dann begann er ebenfalls zu weinen.
Kapitel 43
In der stickigen Hitze des Führerhauses oben auf dem Getreidetransporter hatte Rebecca die Bilder immer und immer wieder Revue passieren lassen, wenn sie während der Ernte die schnurgerade Asphaltstraße entlanggefahren war. Sie hatte sich ausgemalt, Charlie dorthin mitzunehmen, nach Waters Meeting. Mit ihm zusammen nackt im kühlen Fluss zu schwimmen. Im getüpfelten Schatten auf dem feuchten, grünen Klee zu liegen. Ihn in ihrem großen, luftigen Zimmer bei offener Tür zu lieben, während die Vorhänge sanft im Wind wehten und die Eukalyptusbäume Schattenrisse auf ihre Haut malten. Doch als sie mit ihrem Subaru auf die Homestead von Waters Meeting gefahren war, hatten sich diese Bilder in Luft aufgelöst. Zum einen hatte sie den spektakulären Ausblick vor der Abfahrt ins Tal nicht mit ihm geteilt, weil Charlie ihr in seinem eigenen Pick-up folgte.
Diese Reise hatte einen erbitterten Streit in der winzigen Hütte auf der Farm der Lewis’ ausgelöst. Charlie hatte darauf bestanden, dass er ein eigenes Auto brauchte, falls er dringend auf die Farm zurück musste. Sein Vater hatte das genauso gesehen.
Rebecca hätte Charlie auf der Fahrt in ihren Heimatdistrikt gern an ihrer Seite gehabt, damit sie ihm alles über das Land und die Farmen, an denen sie vorbeikamen, erzählen konnte. Wie sie damals Micks alten Morris gleich hinter Dirty’s Pub in den Deich gefahren hatten. Oder wie Rebecca nach ihrem achtzehnten Geburtstag nachts auf Ink Jet nach Hause geritten war und dabei so betrunken gewesen war, dass sie, so weit sie sich entsinnen konnte, erst am Tor zur Farm aufgewacht war und dabei Akazienblüten in ihrer
Tasche und klappernde leere Bierdosen in ihren Satteltaschen entdeckt hatte.
Heute war ihr die Fahrt von Charlies Ebene in ihr Tal noch länger vorgekommen als sonst. Die Entfernung zwischen den beiden Farmen drohte Rebeccas Herz abzuschnüren. Als sie beide unterwegs in eine Tankstelle gebogen waren, um nachzutanken und Essen einzukaufen, war die Stimmung angespannt gewesen. Ein paar Worte, ein kurzer Kuss, dann waren sie wieder auf der Straße. Jeder allein in seinem Wagen, wo ein Monolog ängstlicher Gedanken durch ihre Köpfe lief. Rebecca machte nicht einmal beim Dingo Trapper halt. Sie fuhr ohne abzubremsen vorbei. In ihrem Tagtraum war sie dort mit Charlie auf ein Bier und einen freundschaftlichen Rückenschlag von Dirty eingekehrt, bevor sie mit ihm nach Waters Meeting weitergefahren war.
Jetzt, wo sie angekommen war und auf der von Unkraut überwucherten Kiesauffahrt stand, wurde es Rebecca noch schwerer ums Herz. Die Farm hatte sich so verändert. Das war ihr gleich nach dem Haupttor aufgefallen. Schlaglöcher in den Pisten, dicht wuchernde Disteln und Farne auf den früher makellosen Weiden. Zäune, die am Boden lagen, als hätte man sie aufgegeben. Wozu waren sie auch nütze,
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