Wo die Wuerfel fallen
Weil Chlodwig Katholik wurde, erhielt der von den Goten bedrängte schwache Papst einen neuen Schutzherrn. Als Gegenleistung salbte und krönte der Papst Chlodwig zum König. Bei dieser Ausrichtung aller westeuropäischen Königreiche auf Rom blieb es. Man kann die Taufe in Reims ohne Übertreibung als Geburtsstunde des mittelalterlichen Abendlandes bezeichnen; die Franzosen sehen in dieser Zeremonie den Beginn ihrer Nationalgeschichte – was allerdings ein bisschen verfrüht ist.
Bis zu seinem Tod brachte Chlodwig auch noch das inzwischen von den stammesverwandten ripuarischen Franken besiedelte Gebiet rhein- und mainaufwärts unter seine Herrschaft. Es wurde später ein Kerngebiet des karolingischen und deutschen Kaisertums. Orts- und Landschaftsnamen wie »Frankfurt« und »Franken« legen dafür beredtes Zeugnis ab.
Rabenschlacht
Die Geschichte um »Dietrich von Bern« ist eine der bekanntesten mittelhochdeutschen Heldendichtungen. Auch sie hat einen gewissen historischen Hintergrund.
|57| Im Jahr 476 hatte der römische Offizier Odoaker den letzten weströmischen Kaiser Romulus Augustulus abgesetzt. Man vermutet, dass Odoaker germanischer Herkunft war. Jedenfalls erklärte er sich selbst zum »König von Italien« und beherrschte die Halbinsel. Das konnte sich der oströmische Kaiser in Konstantinopel nicht gefallen lassen. So beauftragte man den jungen Ostgoten-Prinzen Theoderich (um 453 – 526), der zehn Jahre lang am byzantinischen Hof erzogen worden war, mit einer Streitmacht Richtung Italien zu ziehen. 493 kam es zur Schlacht um Ravenna (= gotisch
Raben
), wo Odoaker sich verschanzt hatte. Theoderichs Ostgoten belagerten die Stadt zweieinhalb Jahre lang. Dann musste der ausgehungerte und ausgeblutete Odoaker aufgeben.
Es wurde eine Friedensvereinbarung geschlossen, aber beim Versöhnungsmahl ermordete Theoderich eigenhändig den Odoaker und war nun Alleinherrscher in Italien. Die Gleichsetzung von Theoderich mit Dietrich von Bern (mit »Bern« ist Verona gemeint) nahmen mittelalterliche Chronisten und Schriftsteller vor, die die komplexen Motive der Dietrich-Sage »historisch« verorten wollten. Die tatsächlichen Ereignisse waren ihnen aber durch die Distanz von Jahrhunderten und mangels zuverlässiger Überlieferung kaum richtig bekannt. So vermischten sich Realität und Sage.
Sie haben gehaust wie die Wandalen
Seit ca. 400 marschierten die Wandalen aus ihren Stammsitzen im Quellgebiet von Oder und Weichsel über Donau und Rhône quer durch Spanien und gründeten 429 in Nordafrika im Gebiet des ehemaligen Karthago (heute Tunesien) ein Reich, das sogar von Rom anerkannt wurde. Immerhin erfolgte die Gründung formell noch auf weströmischem Reichsgebiet. Der heilige Augustinus, damals Bischof der in dieser Region gelegenen Stadt Hippo, kam bei der Belagerung ums Leben. Ihren schlechten Ruf verdanken die Wandalen etwas zu Unrecht ihrer Eroberung Roms, die 455 von Nordafrika aus erfolgte. Aber es gab keine systematische Zerstörung von Kunstschätzen, wie oft behauptet worden ist, denn die Wandalen hatten gehörigen Respekt vor Papst Leo dem Großen.
Das böse Wort vom Vandalismus kam erst in der Zeit der Französischen |58| Revolution auf. Es wurde von Henri Grégoire (1750 – 1831), Bischof von Blois, geprägt, der sich dabei auf die blindwütige Zerstörung von Kunstwerken durch den französischen Mob und französische Revolutionsgardisten bezog und dies mit dem Verhalten der Wandalen bei der Plünderung Roms verglich.
Die Ritter der Tafelrunde
Den historischen Hintergrund für die Artussagen bildet der Abwehrkampf der keltischen Briten gegen die Invasion der germanischen Angeln und Sachsen. Der Sage nach war Artus ein keltisch-britischer König, der gegen die Sachsen kämpfte und, da er den Kampf nicht gewinnen konnte, in das mystische Inselreich Avalon entrückt wurde. Von dort erhoffte man seine Wiederkehr, um dem wahren Britentum wieder zu seinem Recht zu verhelfen. Das hat strukturelle Parallelen zur Kyffhäusersage (s. u.).
Artus versammelte seine Ritter bewusst um einen runden Tisch, um Rangstreitigkeiten zu vermeiden. Bei den stets sehr auf ihre Ehre bedachten Rittern waren solche Rangstreitigkeiten an der Tagesordnung und boten ständig Anlass zu Unfrieden. Artus wurde zu einem Idealbild der Ritterzeit. Die Artussage war »der« europaweit mündlich tradierte Bestseller des Mittelalters, die Tafelrunde »die« Idealvorstellung des höfischen Rittertums.
Gral
Artus’ mythische
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