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Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Titel: Wo du nicht bist, kann ich nicht sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Blaxill
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abgeschickt worden waren. An dem Abend, an dem Freya verschwunden war, schien sie sich mit Clark getroffen zu haben, ganz wie Ros und ich es uns gedacht hatten. Aber haufenweise Typen, auf die die Beschreibung der Kellnerin passte, mussten das Café genutzt haben; die Polizei würde ihn nicht finden.
    In den Nachrichten jemanden zu sehen, den man kennt, hat etwas Surreales. Für mich war das, worüber die Nachrichten berichteten, immer etwas gewesen, was nur anderen Leuten passierte. Auf der einen Seite war der Bericht so unpersönlich, auf der anderen bedeutete er so viel. Moira und Owen wurden kurz gezeigt, die typischen Eltern in Panik, denen niemand wirklich zuhört, weil es zu deprimierend ist. Der Nachrichtensprecher beschrieb Freya als freundliches, lebhaftes Mädchen, das bei allen beliebt und eine äußerst talentierte Musikerin sei, aber das waren nur Worte. Freya in ihrer Vielschichtigkeit und Widersprüchlichkeit wurde dadurch nicht so lebendig, dass die Leute sich für sie interessieren würden. Die Worte des Nachrichtensprechers waren so nutzlos, wie ich mich fühlte.
    Am späten Nachmittag war ich wieder bei der Polizei – das vierte Mal innerhalb von drei Tagen. Ich saß vor Shaw und Turner am Tisch und fragte mich, was sie wohl dieses Mal von mir wollten.
    Â»So, Jonathan«, sagte Shaw, »wir würden jetzt gern Punkt für Punkt mit dir durchgehen, was du an diesen beiden Tagen getan hast, an denen du herausfinden wolltest, ob Freya verschwunden ist.«
    Â»Das habe ich Ihnen doch alles schon gesagt. Ich bin zu ihr nach Hause gegangen, hab ihre E-Mails gelesen und ein paar Leute angerufen.«
    Â»Wo hast du übernachtet?«
    Ich zögerte. »Ist das wichtig?«
    Shaw zog nur die Augenbrauen hoch.
    Â»Bei einer Freundin«, sagte ich.
    Â»Und was ist das für eine Freundin, Jonathan?«
    Â»Einfach eine Freundin. Sie hat nichts mit der Sache zu tun.«
    Â»Das sehen wir anders«, sagte Turner. »Sie war bei dir, als du in Freyas Haus gegangen bist, richtig?«
    Mein Herz schlug schneller. Fingerabdrücke. Ich hatte vergessen, dass Ros Freyas Sachen angefasst hatte. Unmöglich, mich da rauszulügen.
    Langsam sagte ich: »Wenn ich Ihnen ihren Namen sage, versprechen Sie dann, sie nicht mit in diese Sache reinzuziehen? Sie wollte mir doch nur helfen – sie ist Freya noch nie begegnet.«
    Die Polizisten schauten mich bloß an. Sorry, Ros, dachte ich, als ich ihren Namen preisgab. Turner schrieb ihn auf, dann fragte er nach ihrem Alter. Ich überlegte kurz zu lügen, aber ich wusste, dass es zwecklos war. Als ich »Vierzehn« sagte, wechselten Shaw und Turner einen kurzen Blick.
    Die nächsten fünfzehn Minuten waren schrecklich. Die Polizei wollte jedes Detail wissen. Wo hatte ich sie kennengelernt? Warum hatte ich sie um Hilfe gebeten? Was war passiert, als ich bei ihr zu Hause übernachtet hatte? Diese Frage war ihnen ganz besonders wichtig. Das Schlimmste war, als Shaw beinahe beiläufig sagte: »Ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist, Jonathan, aber es ist strafbar, wenn ein Sechzehnjähriger eine sexuelle Beziehung mit einer Vierzehnjährigen eingeht, auch wenn es mit ihrer Einwilligung geschieht. Das solltest du nicht vergessen.«
    Ich war wütend und gedemütigt zugleich. Warum konnten Ros und ich nicht Freunde sein, ohne dass alle gleich die falschen Schlüsse zogen? Mum und Dad blafften, dass diese Art Befragung nicht in Ordnung sei, aber Shaw und Turner ließen sich davon nicht beeindrucken. Sie stellten weiter ihre Fragen – dieselben, die sie mir schon gestern gestellt hatten, als es um Tom gegangen war, um die vermissten Mädchen und wo ich gewesen war in der Nacht, in der Freya verschwand. Als ich schließlich gehen durfte, fragte ich mich, ob ich morgen wohl wieder hier antanzen müsste, um dasselbe noch mal wiederzukäuen. Früher oder später würde ich die Nerven verlieren und irgendwas Blödes sagen – ob es das war, was sie wollten?
    Als ich am Abend Ros anrief, erfuhr ich, dass die Polizei auch mit ihr gesprochen hatte.
    Â»Es war furchtbar«, sagte sie. »Sie haben mir tausend Fragen gestellt, wie das war, als du bei uns übernachtet hast und ob wir irgendwas gemacht haben und so weiter. Immer wieder. Dad ist beinahe ausgerastet.«
    Ich fühlte mich schrecklich. Ros klang so niedergeschlagen. Die Polizei war penetrant gründlich,

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