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Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Wo du nicht bist, kann ich nicht sein

Titel: Wo du nicht bist, kann ich nicht sein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Blaxill
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auf Tom fiel, werde ich nie vergessen. Er sah aus, als ob er von oben bis unten voller Blut wäre, und ich hätte fast gekotzt. Irgendjemand rief den Notarzt, der Tom mitnahm, und dann kam die Polizei, um mit mir zu reden.
    Ich hatte Glück. Toms Kumpel schworen zwar, dass ich angefangen hatte, und wenn die Polizei ihnen geglaubt hätte, wäre ich wegen schwerer Körperverletzung verklagt worden. Aber in der Schule musste jemand ein gutes Wort für mich eingelegt haben, denn schließlich kam man zu dem Schluss, es gebe nicht genug Beweise. Die Polizei ließ mich mit einer Verwarnung gehen, aber die Schule schloss mich bis zu den nächsten Ferien vom Unterricht aus.
    Selbst jetzt finde ich nicht okay, was ich getan habe. Es macht mir Angst, dass ich jemanden so verletzen konnte. Ich hätte nie gedacht, dass ich dazu fähig wäre. Tom war ein Fiesling, der verdient hat, was er bekommen hatte, aber danach war es in der Schule für mich nicht mehr so wie früher, und Karate habe ich dann bald aufgegeben. Manchmal hatte ich Albträume, aber die waren weniger geworden, seit ich im College angefangen hatte. Ich hätte mir schon fast vormachen können, dass das alles nie passiert war.
    Â»Niemand verwendet hier etwas gegen dich«, meinte Mum. Sie und Dad schauten sich an, als ob sie sagen wollten: nicht das schon wieder.
    Â»Das hörte sich bei der Polizei aber nicht so an.«
    Â»Manche Leute sind wie vernagelt«, sagte Dad. »Sie halten diesen Copeland-Bengel für das Opfer, weil er im Krankenhaus gelandet ist.«
    Â»Die Polizei muss alles in Erwägung ziehen«, fügte Mum hinzu. »Natürlich schauen sie nach, ob etwas über dich in den Akten steht, sie überprüfen jeden.«
    Â»Und wenn Freya wirklich etwas zugestoßen ist? Wenn sie glauben, dass ich es gewesen bin? Was dann?«
    Â»Jonathan«, sagte Mum leise, »soviel wir im Augenblick wissen, ist gar nichts passiert. Und selbst wenn – dir können sie nichts anhängen. Du hast nichts Unrechtes getan.«
    Sie legte ihren Arm um mich. Nach einer Weile tat ich etwas, das ich schon lange nicht mehr gemacht hatte. Ich drückte sie an mich. Ich glaubte ihr nicht, aber ich war dankbar dafür, dass sie an mich glaubte.
    Und als die Polizei an diesem Nachmittag zu uns nach Hause kam, um mich weiter über den Tom-Vorfall zu verhören und zu fragen, ob ich Freya je geschlagen hatte, war ich dafür noch dankbarer. So wie sich die Dinge entwickelten, würde ich alle Unterstützung brauchen, die ich nur kriegen konnte.
    Rosalind
    Montag, 27. Oktober, 11.00 Uhr
    Sonntagabend brauchte ich lange zum Einschlafen und dann hatte ich einen Albtraum. Jonathan und ich saßen im Gefängnis, das aus irgendeinem Grund so aussah wie meine Schule. Ihn hatte man wegen Unterschlagung von Beweismitteln drangekriegt, mich wegen Entführung. Unser Gefängniswärter war ein riesiger Plüschhase, genau wie der in Freyas Zimmer, und dem erzählte ich immer wieder, dass wir unschuldig waren. Aber er lachte nur und sagte »Quietsch«. Dann wollte ich Abby anrufen, doch ich konnte mich nicht an ihre Nummer erinnern, und dann merkte ich, dass ich nackt war.
    Als ich aufwachte, sagte ich mir, dass das nur ein bescheuerter Traum gewesen war, aber ich wurde ihn trotzdem nicht wieder los, auch nicht, als ich mir kaltes Wasser ins Gesicht spritzte.
    Freya war immer noch nicht gefunden worden.
    Der Tag zog sich endlos hin. Wenn Schule gewesen wäre, hätte ich wenigstens was vorgehabt, aber so konnte ich mich nur immer wieder fragen, ob ich ein schlechter Mensch war, weil ich geschwiegen hatte. Gestern Abend hatte Jonathan mich noch mal angerufen, er klang noch fertiger als zuvor. Offenbar hatte die Polizei ein drittes Mal mit ihm gesprochen, bei ihm zu Hause, über diese Prügelei, die er irgendwann in der Schule gehabt hatte.
    Mir fiel nur eine Sache ein, die ich tun konnte. Ich fuhr nach Kensington.
    Gabes Haus sah aus wie immer. Ich lehnte mich an einen Laternenpfahl auf der gegenüberliegenden Straßenseite, starrte vor mich hin und hoffte auf ein Zeichen, das mir sagen würde, ob ich recht hatte oder nicht. Aber niemand kam ans Fenster oder zur Tür hinaus.
    Jeder normale Mensch hätte den Mumm gehabt zu klingeln, aber meine Fantasie beschwor so paranoide Vorstellungen herauf, dass ich mich nicht traute. Vielleicht hatten sie fluchtartig das Land verlassen und Freya

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