Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
aber das musste sie wohl auch sein. Im Augenblick war ich ihre einzige Spur â und der Druck wurde stärker â¦
Rosalind
Dienstag, 28. Oktober, 09.30 Uhr
Nach einer weiteren schlaflosen Nacht überflog ich online die Nachrichten. Es hatte sich nichts getan. Ich fragte mich, ob Jonathan heute wohl wieder auf die Polizeiwache kommen musste. Obwohl er mir nicht allzu viel von den Befragungen erzählt hatte, konnte ich ihm anmerken, dass er Angst davor hatte. Da ich jetzt selber wusste, was es für ein Gefühl war, verhört zu werden, konnte ich das gut verstehen. Es war schrecklich, ihn so verstört zu sehen, besonders weil ich wusste, dass es meine Schuld war.
Es klopfte an meiner Tür. Schnell machte ich das Browserfenster kleiner und versuchte, ganz normal auszusehen. Es war Abby.
»Männer sind ja so scheiÃe«, sagte sie und setzte sich auf mein Bett. Ohne abzuwarten, was ich sagte, lieà sie ihre Geschichte ab. »Claudia und ich wollten Gabe und Brian besuchen. Brian hatte mir neuen Schmuck gemacht, also sind wir in sein Zimmer gegangen. Und da lagen so wunderschöne Ohrringe, die aussahen wie Spinnennetze, total cool. Wir haben ein bisschen rumgemacht und geknutscht, wie immer â aber dann hat er plötzlich gesagt, er wolle das volle Programm durchziehen â¦Â«
»Das hast du doch nicht getan, oder?«
Abby schnaubte. »Ich hab ihm gesagt, darüber müsste ich erst nachdenken, und da ist er sauer geworden. Er meinte, ich wollte mich doch jetzt hoffentlich nicht kindisch aufführen, und er würde mich echt mögen und überhaupt nicht kapieren, was ich gegen ein bisschen Spaà hätte. Darauf hab ich gesagt, wir hätten doch schon SpaÃ. Da hat er nur gelacht und gesagt, ich sollte aufhören, so naiv zu sein. Ich müsste mich entscheiden, weil es nicht fair wäre, ihn so anzumachen, wenn ich nichts von ihm wollte.«
»Was hast du dann gemacht?«
»Ich bin abgehauen. Nach Hause.«
»Das war richtig.« Ich umarmte sie. »Ohne ihn bist du besser dran.«
Abby zuckte die Achseln. »Gestern Abend hab ich das auch gedacht, aber dann hat er mir eine SMS geschickt und sich entschuldigt. Er hat gesagt, er würde sich total mies fühlen wegen der Sache.«
»Hör nicht auf ihn. Er ist es nicht wert.«
Abby fummelte an ihrem Armband herum. »Er will sich um sechs mit mir in Camden treffen und am Fluss spazieren gehen. Um über alles zu reden. Ich hab gesagt, ich komme und â¦Â«
»Moment mal«, unterbrach ich sie. »Du bist also gestern Abend im Haus gewesen? War Hugh da?«
»Keine Ahnung, hab ihn nicht gesehen, aber vielleicht war er mit jemandem in seinem Zimmer. Brian hat mir erzählt, Hugh sei ein echter Mädchenfresser. Warum fragst du immer nach ihm â findest du ihn gut?«
»Natürlich nicht! Ich bin nur â¦Â«
Mann, ich durfte nicht länger den Mund halten! Wenn Hugh Freya etwas angetan hatte, würde Jonathan mir das nie verzeihen. Ja, ja, vielleicht würde die Polizei sie bald finden â vielleicht würde sie sich auch von selbst melden; vielleicht würde sie erzählen, dass ein komisches Mädchen sie gestalkt hatte â, aber das spielte alles keine Rolle mehr. Die Sache hier war bitterernst und gefährlich und ich hatte diese ganzen Vielleichts total satt.
»Alles okay mit dir, Ros?«, wollte Abby wissen.
»Alles bestens. Ich muss nur mal telefonieren.«
Abby stand auf. »In den letzten Tagen bist du echt komisch gewesen, Ros. Aber ich seh schon, dieser Anruf ist dir offenbar wichtiger, als mit mir zu reden.«
Sie ging. Ich merkte es kaum. Ehe ich es mir anders überlegen konnte, nahm ich mein Handy.
»Hi, Ros«, sagte Jonathan mit dumpfer Stimme. »Nichts Neues.«
»Ich glaub, ich weiÃ, wo Freya ist«, platzte ich heraus. »Wie schnell kannst du in London sein?«
»Was? Du kennst Freya nicht mal, woher willst du so was denn wissen?«
Ich brach das Gespräch ab und starrte an die Wand. Das Handy klingelte. Nach einer ganzen Weile ging ich ran.
»So was kannst du doch nicht ohne eine Erklärung sagen!«, rief Jonathan. »Jetzt komm schon, Ros! Was weiÃt du?«
»Ich kann dir nicht mehr erzählen. Denn egal, wie ich es auch sagen würde, es hört sich übel an. Kannst du mir einfach vertrauen?«
»Kannst du mir nicht einfach vertrauen?«
»Okay, okay! Ich
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