Wo du nicht bist, kann ich nicht sein
mich mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Alles okay, Ros?«
»Nein!« Obwohl ich es für sinnlos hielt, lieà ich alles raus. Zum ersten Mal, seit ich ihn kannte, wirkte Hugh verblüfft.
»Mal im Ernst, Ros, soll das ein Witz sein? Ich wohne mit dem Typen zusammen. Ich glaube, ich wüsste Bescheid, wenn es eins seiner Hobbys wäre, Teenager zu ermorden!«
»Und warum ist er so wütend geworden, als Freya auf dieses Zimmer gestoÃen ist?«
Hugh schüttelte den Kopf, aber er schien sich seiner Sache nicht mehr ganz so sicher zu sein. »Das ist doch totaler Wahnsinn.«
»Und wie erklärst du dir das mit der Halskette?«, fragte ich weiter, jetzt schon fast in Tränen. Ob deswegen oder wegen dem, was ich gesagt hatte, durch Hugh ging jedenfalls ein Ruck.
»Okay, Ros. Kein Stress. Ich weià genau, wo Brian steckt. Es ist Dienstag, da verkauft er an seinem Stand in Stables Market.« Er sah Freya an.
»Fahr mit ihnen hin!«, rief sie. »Ich geh zur Polizeiwache â und ruf die Polizei auf dem Weg dahin an!«
»Okay«, sagte Hugh. »Dann nichts wie los!«
»Aber wir schaffen das nicht rechtzeitig!«, sagte ich. »Das ist unmöglich.«
»Ach, Ros. Warum immer so pessimistisch?« Hugh zog ein paar Geldscheine aus der Tasche und wedelte damit herum. »Ich hab Dads Portemonnaie geplündert. Wie wärâs mit einem Taxi?«
Ein paar Minuten später hatten wir Maida Vale erreicht. Vor dem U-Bahnhof stiegen gerade Touristen aus einem Taxi, das wir heranwinkten.
»Wir brauchen sicher nicht länger als zehn Minuten, dann sind wir da«, sagte Hugh, als wir unterwegs waren. »Mir will das einfach nicht in den Kopf, aber andererseits passt es auch irgendwie â¦Â«
»Was meinst du damit?«, fragte ich.
Hugh zog eine Grimasse. »Brian war derjenige, der sich unbedingt mit dir, Abby und Claudia treffen wollte.«
»Hä? Ich dachte, Gabe wollte uns kennenlernen.«
»Nein. Gabe hat Claudia irgendwann mal mit nach Hause gebracht und sie hat uns Bilder auf ihrem Handy gezeigt. Als Brian ein Foto von Abby gesehen hatte, war er nicht mehr davon abzubringen, dass wir uns alle mal treffen sollten. Er ist ein totaler Draufgänger und hält sich für unwiderstehlich â seine letzte Trennung hat ihm deshalb schwer zu schaffen gemacht.«
Den Rest des Weges fuhren wir schweigend, und ich versuchte, diese letzte unangenehme Information einzuordnen. Knapp fünfzehn Minuten später standen wir vor dem Stables Market, und ich versuchte zum ungefähr hundertsten Mal, Abby auf dem Handy zu erreichen. Beim letzten Mal hatte es geklingelt, das hieÃ, sie war nicht mehr unter der Erde. Aber sie war nicht rangegangen.
Von der Polizei war nichts zu sehen, als wir den riesigen Hof betraten, aber so lange war es ja auch noch nicht her, seit Freya sie angerufen hatte. Bunte Stände und Läden, die hauptsächlich Kleidung, Accessoires und Fast Food verkauften, säumten die gepflasterten FuÃwege in den inneren Bereich. In manchen lief dröhnende Musik, was irgendwie nicht richtig zu den wunderschönen Metallbänken und den Pferdeskulpturen im Hauptbereich passte.
»WeiÃt du, wo Brians Stand ist?«, fragte ich, und Hugh nickte. Ich hoffte, dass wir vor Abby dort ankamen, und lief weiter den Weg entlang. Es war nicht mehr viel los; anscheinend machten die Marktleute gerade Schluss für heute, was hieÃ, dass wir uns nicht in der Menge verstecken konnten. Aber Brian würde uns sicher nichts tun, sollte er uns entdecken ⦠jedenfalls hoffte ich das.
»Wir haben ein Problem«, sagte Hugh plötzlich und zeigte auf einen leeren Laden, der ein paar Meter vor uns lag. »Da steht Brian sonst immer. Er muss früher eingepackt haben.«
Vielleicht hatten sich Abby und er also doch nicht hier treffen wollen? Panik stieg in mir auf. Hektisch schaute ich mich um in der Hoffnung, Abby oder Brian irgendwo zu entdecken â oder wenigstens irgendjemanden, der uns sagen konnte, wo sie waren. Nichts â und dann sah ich Brian, der eine leere Kiste den Weg hochschleppte. ÃuÃerlich war ihm nichts anzumerken, er wirkte nur leicht gelangweilt. Und normal. Langsam fragte ich mich, ob wir uns nicht vielleicht doch in irgendwas verrannten. Er erreichte seinen Laden, setzte sich auf den Tisch und schaute auf die Uhr. Wir waren mittlerweile hinter einem Stand in Deckung gegangen,
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