Wo Elfen noch helfen - Walter, A: Wo Elfen noch helfen
Pötte. Wie das Loch aus dem der Geysir schießt, sind diese Becken meist rund und im Boden eingelassen. Oft gibt es gleich mehrere und die sind mit verschieden heißem Wasser gefüllt, das zwischen 37 und 42 Grad warm ist.
Das Rezept für die Handhabe ist denkbar einfach. Man setzt sich hinein, wie in eine öffentliche Badewanne, entspannt die Glieder und löst nebenbei alle großen Probleme und Rätsel der Welt. Und das innerhalb von wenigen Minuten, während der isländische Wind einem um die Ohren pfeift oder es kühl vom Himmel tröpfelt.
Die heißen Pötte sind für die Isländer das, was für die Finnen die Sauna ist, und wenn man so will die urbane Nachahmung der heißen Quellen, die in der Natur vorkommen. Jene natürlichen warmen Bäche, in denen sich die Schäfer seit jeher nach dem Schafsabtrieb entspannten. Schon der berühmte Saga-Autor und Politiker Snorri Sturluson verwandelte diese praktische Erfindung der Natur im 13. Jahrhundert in eine Institution und
ließ sich einen heißen Pott in seinen Garten bauen, wo viele Isländer bis heute einen stehen haben.
Und genau deshalb muss jeder Islandbesucher mindestens einmal im Schwimmbad im heißen Pott gelegen haben. Denn hier kann man nicht nur entspannen, die heißen Pötte sind auch Quell der Informationen und Anekdoten und eine der besten Gelegenheiten, um mit Isländern ins Gespräch zu kommen. Man redet einfach drauflos über Gott und die Welt, das Wetter und die Politik. Außerdem geht es stets basisdemokratisch zu. Hier sitzt die Supermarktkassiererin neben dem Firmenchef, der Fischer neben der Uni-Professorin. Und man sieht es nicht, weil alle Badeklamotten tragen.
Es gibt die legendäre Geschichte von einem Amerikaner, der im heißen Pott mit einer Frau ins Gespräch kam. Nach einer Weile fragte er: »Was machen Sie eigentlich beruflich?« Sie sagte: »Ich bin Präsidentin.« Der Mann fragte: »Von einer Firma?« – »Nein«, antwortete die Frau: »Von Island.«
Es war Vigdís Finnbogadóttir, die Dame, deren Handynummer ich bereits habe. Selbst in der Zeit ihrer Präsidentschaft ging sie ins Schwimmbad, so wie alle anderen auch. Warum denn auch nicht ?
Für die Isländer ist das nichts Besonderes. Selbst Björk könnte man im Schwimmbad treffen. Überhaupt kann im heißen Pott alles Mögliche passieren. Mir gegenüber sitzt gerade ein Mann, der abtaucht und vergnügt ins Wasser prustet, sodass es im ganzen Becken blubbert, wovon allerdings niemand weiter Notiz nimmt. Im Nachbarpott feiert ein Großvater samt Großfamilie Geburtstag. Und manch einer sitzt zur Abkühlung im Freien und unterhält sich, als sei es das Normalste auf der Welt, nass und halbnackt an der frischen Luft zu sitzen, die höchstens fünf Grad hat.
Doch das Thermalwasser in Island scheint eine Art Wundermittel in Sachen Widerstandskraft zu sein. Denn nach dem Besuch im heißen Pott fühlt man sich wie neugeboren. Es ist, als hätte sich eine Schutzschicht über einen gelegt. Die Kälte der Luft kann einem nichts mehr anhaben. Das Hirn ist zu einer breiigen Masse geworden. Verlangsamt, aber glücklich. Wer nach dem heißen Pott spazieren geht, sieht die Welt in Slow-Motion ablaufen, wird zum Beobachter und fühlt sich mit dem Universum verbunden. Nichts kann einen mehr aus der Ruhe bringen. Fast möchte ich behaupten: nach dem heißen Pott erreicht man jenen friedlichen Zustand, nach dem Meditierende jahrelang streben. Versenkung und Versöhnung total. Die heißen Pötte, kombiniere ich, sind eines der Geheimnisse der ausgeprägten isländischen Gelassenheit.
Im Zweifel für die Elfen
»War ja lustig am Freitag!«, sage ich zu meiner Kollegin Elín, als ich sie am Montagmorgen am Kaffeeautomaten treffe. Doch sie schaut mich an, als käme ich von einem anderen Planeten und der Freitagabend wäre Lichtjahre entfernt. Offensichtlich macht man in Island keine Nachbesprechungen abendlicher Exzesse, sondern lässt gut sein. Den aufgeregten Austausch, der bei uns montags durch die Büroflure wispert, gibt es hier nicht. Vielmehr gilt: Am Abend machen alle mit. Das Feiern ist ein fröhliches Ventil, das man am Wochenende voll aufdreht, aber hinterher nicht weiter bespricht.
In einem Artikel des Schriftstellers Hallgrímur Helgason (der übrigens den Roman 101 Reykjavík geschrieben hat, nachdem auch der Film benannt ist) finde ich eine Erklärung. Die Isländer haben eine Tradition wilder Wochenenden. Während der Jahre der Abgeschnittenheit nahm man Alkohol, »um Dampf
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