Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
Vom Netzwerk:
das Gesicht abzuwischen. Aber nichts kam hinter dem Vorhang hervor. Nichts bewegte sich. Nichts miaute. »Hirngespinste«, murmelte Sir Lancelot. »Ich darf mich von ihnen nicht unterkriegen lassen. Ich werde mit ihnen fertig werden. Genauso wie mit den vielen anderen Unannehmlichkeiten im Leben, sei es nun ein zu früh aufgeschnittener Bauch oder ein zu spät nach einer Forelle ausgeworfener Angelhaken.«
    Er saß wieder in dem tiefen Lederfauteuil. Sein Salon wirkte wie die Sitzecke eines komfortablen Klubs, mit den schlachtschiffgrauen Wänden, den Drucken aus dem neunzehnten Jahrhundert, die Szenen aus der Sportfischerei darstellten, und mit den zwei riesigen glotzäugigen, lacküberzogenen braunen Forellen in Glaskästen. Sie waren für Sir Lancelot ein ebenso erhebendes Mahnmal an früheren Glanz wie der mit gleicher Sorgfalt aufbewahrte Inhalt des Kreml-Mausoleums für die Bevölkerung von Moskau. Linker Hand stand eine abgewinkelte Leselampe, zur Rechten ein kleiner Tisch mit aufgeblätterten Exemplaren der Times und der Lancet und einem halbgeleerten Glas Whisky-Soda samt Karaffe und Syphon, von Miß MacNish auf einem Silbertablett serviert. Auf den Knien hatte Sir
    Lancelot eine Löschblattunterlage mit dem Nachruf auf den Dean liegen. Sir Lancelot war, dank des Whisky, der langsam die Sorgenfalten in seiner Seele glättete, in einer milden Gemütsverfassung. Die Konsultation des verschrobenen Kurpfuschers Bonaccord war nicht allzu schmerzhaft verlaufen - unter Umständen würde es sich sogar lohnen, dem Rat des Mannes zu folgen. Den ganzen Tag lang hatte sich keine der beiden Katzen gezeigt, und Sir Lancelot gab sich der angenehmen Vorstellung hin, sie wären irgendwo von einem Autobus zermalmt worden. Und es gab Frikassee mit Zwiebeln zum Abendessen, ein Gericht, das man, obwohl es geeignet war, lästige Winde hervorzurufen, schon in der Vorfreude genoß. Sir Lancelot blähte die Nüstern, als der zarte, köstliche Duft durch den Türvorhang drang. Sein Blick lief über die handgeschriebenen Zeilen auf seinen Knien. Der Dean war im Grund gar kein so schlechter Kerl, meinte er schließlich. Er nahm seine Füllfeder aus der Tasche und änderte die Stelle Lychfields angeborene Mäßigkeit wurde leider von seinen Freunden als Kleinlichkeit im gesellschaftlichen Umgang gewertet auf Seine ästhetische Ader hinderte ihn glücklicherweise nicht , freudig die Gastfreundschaft anderer Leute anzunehmen.
    Plötzlich blickte Sir Lancelot auf. Fast eine Minute lang saß er stocksteif und starrte über seine halbmondförmigen Brillengläser hinweg durch den Raum. Dann legte er mit einer entschlossenen Bewegung Feder und Nachruf auf das Tischchen. Er stand auf. »Ich werde es überwinden«, murmelte er. »Ich werde es bestimmt überwinden.« Sein Blick suchte das Zimmer ab. Diesmal war es keine Einbildung. Eine von ihnen befand sich in der Nähe.
    »Bin ich ein Mann?« fragte er sich verbittert. »Oder bin ich tatsächlich eine Maus?«
    Er stand, leicht erschauernd, und strich sich den Bart. Vielleicht wäre jetzt alles einfacher, dachte er, wenn er der Versuchung nachgegeben hätte, Gift in das Katzenfutter zu schmuggeln, das Miß MacNish mit der gleichen Hingabe herrichtete, mit der sie sein Abendessen zubereitete. Ein ziemlich schmerzhaftes Gift, Strychnin zum Beispiel. Aber das wäre nicht sportlich gewesen. Es war fairer, die psychologische Kur zu versuchen, auch wenn sie weniger Aussicht auf augenblicklichen Erfolg bot.
    »Kätzchen«, sagte Sir Lancelot tapfer, »liebes Kätzchen.«
    Es hockte in der Nische zwischen dem kleinen Bücherkasten und der Zimmerecke. Sir Lancelot fühlte seine Hände zittern. Dann nahm er, wie ein alter, kriegsmüder Soldat, seinen ganzen Mut zusammen, schürzte die Lippen und stieß einen feuchten, quietschenden Laut aus. Die Katze kam mit unverschämter Gleichgültigkeit und hocherhobenem Schwanz hinter dem Bücherkasten hervor. Wenigstens war es Chelsea, die schwarze, und nicht Kensington, die graue, die Sir Lancelot noch weniger schätzte.
    »Kätzchen-Schätzchen«, sagte Sir Lancelot.
    Sie saß da und starrte ihn aus gelben Augen an.
    »Zärtlichkeit«, sagte Sir Lancelot, »Zärtlichkeit!«
    Behutsam ging er über den Teppich auf sie zu. Die Katze begann ihr Fell zu lecken. Die lange rosa Zunge ließ Sir Lancelot an Untertassen mit Milch denken, und ein wenig zerstreut überlegte er, ob es vielleicht auch mit Whisky-Soda gehen würde. »Ich muß mir vorstellen, daß sie ein Baby

Weitere Kostenlose Bücher