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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Schrecken sah er eine Träne in den Salat fallen, direkt auf ein hartes Ei. »Ich hätte Sie gestern abend fast verlassen.«
    »Es steht Ihnen selbstverständlich frei, den Posten jederzeit, wenn Sie es wünschen, aufzugeben. Obwohl ich kein Hehl daraus mache, daß mir Ihre Abwesenheit beträchtlichen Kummer bereiten würde.«
    »Aber ich kann ja gar nicht daran denken! Ich könnte niemals fern von Ihnen glücklich sein, Sir Lancelot.« Sie rührte den Salat noch stärker um. Er bemerkte, daß sich eins der Eier in seine Bestandteile auflöste. »Ich habe mich so an Sie gewöhnt, Sir Lancelot.«
    »Vielleicht ich mich auch an Sie, Miß MacNish.«
    »Ich - ich habe Sie sehr gern, Sir Lancelot.«
    »Natürlich habe auch ich in all den Jahren eine Zuneigung zu Ihnen gefaßt, Miß MacNish. Wenn man so eng zusammen lebt, ist das unausbleiblich. Könnte ich vielleicht ein wenig Salat haben?« Frauen sind in diesem Alter emotionellen Störungen unterworfen, dachte er. Man mußte Miß MacNish aufheitern. »Vielleicht sollten wir beide mehr beisammen sein. Es ist ganz unnatürlich, daß wir einander so nahe und doch so fern sind. Wenn Sie verstehen, was ich meine. Ich sehe nicht ein, warum wir nicht miteinander intim befreundet sein sollten. Was halten Sie davon, Miß MacNish?«
    »Oh, Sir Lancelot!« Sie wurde rot, während sie den Salat auf seinen Teller leerte.
    Es freute ihn, daß seine Freundlichkeit so gut ankam. »Nun entschuldigen Sie mich, bitte, ich habe noch eine Menge Arbeit, bevor unser Gast kommt. Ich weiß, daß Dr. Humble Ihre Kochkunst bewundert - natürlich nicht in dem Maß wie ich.«
    Sie stürzte in entzückter Verwirrung aus dem Zimmer. »Eine füllige und gefällige Person«, zitierte er geistesabwesend. Er zog den Nachruf auf den Dean aus seiner Innentasche, las ihn nochmals genau durch und aß dabei alles in Sichtweite auf: den Schinken, den kalten Apfelkuchen, den Happen Stilton-Käse, die von Miß MacNish persönlich ausgelösten Walnüsse. Dann schraubte er seine Füllfeder auf, um eine Änderung einzufügen:
    Lychfields letzte Jahre waren zweifellos von einer gewissen Traurigkeit umdüstert und manchmal auch von einer gewissen Verlegenheit, in die er Familie und Freunde brachte, wenn er seine Anfälle von Sinnesverwirrung hatte, die mit bizarren Halluzinationen verbunden waren.
    Seine Nasenlöcher weiteten sich. Er begann unkontrollierbar zu zittern. Langsam zwang er sich, seine Blicke durch das Zimmer schweifen zu lassen. Eine von ihnen war irgendwo hier.
    Er legte die Feder weg und verschränkte die Hände. Seine Knöchel wurden weiß. Er konnte ohne Miß MacNish nicht auskommen. Sie und ihr Getier waren untrennbar miteinander verbunden. So mußte er also die übermenschliche Anstrengung machen, das Getier zu dulden. »Zärtlichkeit«, murmelte er, »wie zu einem Baby.« Er fuhr heftig zusammen. Dort war Kensington, die magere Graue. Sie saß auf dem Sims des offenen Fensters und putzte sich.
    »Katzi-Schatzi«, sagte Sir Lancelot.
    Kensington sprang vom Fenster und rieb sich, laut schnurrend, an seinem haarigen Tweed-Hosenbein.
    Behutsam streckte er eine Hand aus. »Was bist du doch für ein reizendes kleines Baby! Spieli, spieli? Komm zum Papi. Da schau! Ein lieber Kitzi-kitzi-Finger!«
    Plötzlich hob er sie auf. Er hielt sie auf den Knien und streichelte sie hingebungsvoll. Ein seliges Lächeln breitete sich über seine sorgendurchfurchten Züge. »Ich hab’s geschafft! Alles aufgrund der Transferenz. Bei Gott, dieser Kerl Bonaccord ist doch nicht so dumm, wie er aussieht. Liebes Baby! Hübsches Kätzchen!« Er fuhr fort, sie entzückt zu streicheln. Die Katze kam ihm viel zugänglicher vor als sonst - sehr günstig für ein so delikates Experiment. Er nahm an, daß sie gerade gefressen hatte und satt war. Sie ließ sich bequem auf seinem Schoß nieder und schnurrte behaglich mit geschlossenen Augen. Da bemerkte Sir Lancelot ein Stückchen rötlichen rohen Fisch, das sich in ihrem Rückenfell verfangen hatte.
    Kensington flog durch die Luft. Er riß die Tür zur Küche auf. Chelsea, die Schwarze, sah überrascht auf. Sie saß auf der Waagschale, mit ein paar Fischgräten, ein paar Flossen und dem Kopf. Deckung suchend sprang sie unter die Abwasch. Aber Sir Lancelot war zu schnell. Er packte die Katze am Schwanz und hob sie hoch. Die Tür zur Vorhalle ging auf. Miß MacNish stand auf der Schwelle. »Meine arme Chelsea!«
    Er ließ die jaulende Katze zu Boden fallen. »Ihre verdammten Katzen

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