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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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Dean zu befriedigen.
    »Und Ihre sexuelle Aktivität ist auf ein Minimum gesunken?«
    »Nur bei besonderen Gelegenheiten...«
    »Es hat keinen Sinn, wenn ich Ihnen sage, daß Sie ausspannen müssen, eine Kreuzfahrt unternehmen, Urlaub machen sollen. So sieht nur ein Laie das Problem. Wenn Sie nichts haben, das Ihren ruhelosen Geist beschäftigt, könnte es mit Ihnen noch schlimmer werden. Ja, Sie zum Selbstmord treiben. Sie brauchen ein grundlegendes, neues Interesse am Leben, das ist alles.«
    »Aber was für ein Interesse?«
    »Das ist eine Frage, die nur Sie selbst beantworten können. Wissen Sie, es ist genau die Situation, in der nicht wenige Männer Ihres Alters mit Frauen durchgehen, die um vieles jünger sind als sie selbst.«
    »Oh, ich glaube nicht, daß Josephine mir so etwas auch nur für einen Moment erlauben würde.«
    Dr. Bonaccord sah auf die Uhr. »Jetzt muß ich leider gehen. Ich habe in ein paar Minuten eine andere Verabredung.«
    Der Dean setzte sich auf. »Ich habe eine Menge Sorgen, die wahrscheinlich meinen Zustand noch verschlimmern. Sie wissen, meine Tochter Muriel. Das nimmt sehr her.«
    »Spannungen gibt es in jeder Familie. Ganz verständlich. Man braucht sich nur zu erinnern, daß in der Ödipus-Situation der Sohn im Grund den Vater kastrieren und mit der Mutter schlafen möchte. Töchter haben natürlich den Elektra-Komplex, was dasselbe ist, nur andersherum.«
    »Vielleicht sollte ich mich aufs Golfspielen verlegen?« schlug der Dean hoffnungsvoll vor. »Ich könnte mich damit zumindest in Form halten. Wir Ärzte sollten mehr auf uns schauen. Wir sterben genauso wie unsere Patienten, an genau den gleichen Krankheiten.« Dr. Bonaccord lächelte. »Ein bißchen unter unserer Würde, meinen Sie? Und doch empfinden selbst die nettesten Patienten eine tiefe innere Befriedigung, ja sogar ein Gefühl des Triumphs, wenn sie hören, daß ihr Arzt ihnen vorausgegangen ist. Wie Sie wissen, Dean, sind die Menschen die sonderbarsten Studienobjekte.«
     

15
     
    Sir Lancelot sah auf die Uhr. Noch ein paar Minuten bis zu seiner Verabredung. Er erhob sich von dem Stuhl, auf dem er sitzen geblieben war, seit Miß MacNish das Haus Nummer 3 verlassen hatte. Die Küche zu betreten, wo die Beweise des fürchterlichen Verbrechens noch offen zu Tage lagen, konnte er nicht über sich bringen. Er ging in die Vorhalle, wo er seine Angeltasche hingestellt hatte, nahm die zwei ärmlichen Forellen heraus und wickelte sie in ein Blatt der Times. Er öffnete die Haustür und trat hinaus. Das Leben mußte trotz der Tragödien, die es bescherte, weitergehen.
    Diesmal brachte er nicht die Kraft auf, seine Vorsprache im Haus Nummer 1 zu verschleiern. Außerdem hatte er ja die angenehme Ausrede, daß er ein gutnachbarliches Geschenk vom Fischen mitbrachte. Doch als Mrs. Tennant die Tür öffnete, fuhr sie erschreckt zurück.
    Sir Lancelot sah sie überrascht an. »Ich bin angemeldet. Haben Sie mich nicht erwartet?«
    »Ist das eine Üb... Ja, natürlich haben wir Sie erwartet, Sir Lancelot. Dr. Bonaccord ist eben zurückgekommen. Bitte, wollen Sie nach oben gehen?«
    »Danke.« Warum starrt mich diese junge Frau so an, fragte er sich. Sie macht ein Gesicht, als wollte ich einbrechen und das Silber stehlen. Vermutlich ist es das Leben in Sünde, das einen so schreckhaft macht. Es wäre durchaus möglich, daß ihr Mann eines Tages mit einem geladenen Revolver an die Tür klopft. Das würde Leben in diese Straße bringen...
    Noch immer die Fische in der Hand, ging Sir Lancelot in das Arbeitszimmer im ersten Stock hinauf. Die Tür war offen, doch der Psychiater nicht da. Sir Lancelot trat ein und betrachtete gelangweilt zwei Leonardo-Drucke an den Wänden. Dr. Bonaccord stürzte ins Zimmer, röter denn je im Gesicht und außer Atem.
    »Entschuldigen Sie, Lancelot! Offen gesagt, ich habe Sie nicht erwartet.«
    »Ich hatte mit Ihnen ausgemacht, daß ich zu dieser Zeit komme«, sagte Sir Lancelot frostig.
    »Ja. Aber ich dachte, Sie hätten es sich dann anders überlegt.«
    »Weshalb denn?«
    »Nein... natürlich nicht... Gefallen Ihnen meine Leonardos? Das ist die >Heilige Anna Selbdritt<. Das Original hängt im Louvre. Können Sie den Geier sehen?«
    »Den Geier? Was für einen Geier?«
    »Leicht sublimiert wohl, aber erkennbar in den Falten des Kleides. Haben Sie nicht Freuds Buch über Leonardo gelesen? Uber den Traum, den Leonardo als kleines Kind hatte, daß ein Geier den Schwanz in seinen Mund steckt und ihn spreizt?

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