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Wo fehlt's Doktor?

Wo fehlt's Doktor?

Titel: Wo fehlt's Doktor? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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heiraten, Bonaccord.«
    »Diese Behandlung erscheint mir etwas zu radikal. Ich gehe gern meine eigenen Wege.«
    »Ach was, Sie sind ein junger Mensch. Bei mir ist es etwas anderes. Ich habe die sogenannten besten Jahre hinter mir. Verausgabt. Ein ausgebranntes Feuerwerk. Vielleicht auch nur ein Knallfrosch...«
    Dr. Bonaccord setzte sofort eine interessierte Miene auf. »Wie lange leiden Sie schon an derartigen Gefühlen?«
    »Seit sechs Monaten. Seit mein Sohn George geheiratet hat.«
    »Vielleicht möchten Sie mit mir über diese Gefühle sprechen?«
    »Nun... da Sie es erwähnen...«
    »Warum machen Sie sich’s nicht bequem? Legen Sie sich hin.«
    Ein wenig beschämt nahm der Dean den Platz seines Patienten auf dem Sofa ein. Dr. Bonaccord rückte mit seinem Sessel auf Gesichtshöhe an ihn heran. »Was bedrückt Sie am meisten?«
    »Daß es nichts Erstrebenswertes mehr im Leben für mich gibt. Nichts! Alles, was noch vor mir liegt, ist eine gut gepflasterte Autobahn, die geradewegs ins Grab führt.«
    »Aha. Der Todestrieb.«
    Der Dean blickte gereizt auf. »Ich dachte, ihr Psychiater hättet dieses Konzept schon aufgegeben?«
    »Vieles von dem, was Freud gelehrt hat, ist natürlich aus der Mode gekommen. Und ich glaube persönlich einfach nicht daran, daß alle Aktivitäten des erwachsenen Menschen Sublimierungen des Sexualtriebs sind. Nur weil meine Sekretärin etwa gern Bananen ißt, muß sie doch nicht unbedingt von einem Phallus-Komplex besessen sein.«
    Der Dean sah ziemlich schockiert drein. »Sie... sie scheint mir eine vollkommen gesunde junge Frau zu sein.
    Ich meine, man könnte sich kaum vorstellen, daß sie... sie...«
    »Aber etwas ist an diesem Todestrieb dran. Er zeigt sich besonders bei genialen Menschen, die sich klar auszudrücken verstehen. Er liegt Somerset Maughams Des Menschen Hörigkeit zugrunde. Und Edgar Allan Poe, das wissen Sie ja, war vollständig von ihm besessen. Und ebenso John Keats. Wissen Sie, was er an Fanny Brawne schrieb? Es gibt zwei kostbare Dinge, über die ich mir beim Spazierengehen Gedanken mache - deine Schönheit und meine Todesstunde. Oh, daß ich beides in ein und derselben Minute erleben könnte. Er wollte es mit ihr treiben und dabei sterben. Deutlicher hätte man es nicht ausdrücken können.«
    »Aber was hat das alles mit mir zu tun?« fragte der Dean irritiert.
    »Ich komme schon dorthin.« Der Psychiater sah ihn nachdenklich an und rieb seine dicklichen Hände. »Sie sind von dem Gedanken an Ihre unvermeidliche Auflösung besessen, nicht wahr?«
    »Nun... gewiß ändert man seine Ansichten über derlei Dinge. Unter dreißig setzt man seiner Lebensspanne keine Grenzen. Später nimmt man zur Kenntnis, daß die Tage gezählt sind. Deshalb sind ja die Jungen so schlechte Autofahrer. Ich kann mir nicht vorstellen, daß daran etwas pathologisch ist.«
    »Natürlich ändern sich unsere Anschauungen: >Mit achtzehn sind unsere Überzeugungen Hügel, von denen wir herabschauen, mit fünfundvierzig Höhlen, in denen wir uns verstecken.< Erinnern Sie sich? Das stammt von Scott Fitzgerald, einem krankhaften Alkoholiker. Was Sie brauchen, Dean, ist etwas, das Sie aufrüttelt, Ihnen einen völlig neuen Anreiz gibt, Ihr ganzes Leben über Nacht verändert.«
    »Seltsam, daß Sie darauf zu sprechen kommen. Im Vertrauen kann ich Ihnen mitteilen, daß mir gestern ein neuer
    Posten angetragen wurde. Aber ich habe ihn abgelehnt. Feigheit. Sie wissen, es ist nicht leicht, sich in meinem Alter umzustellen.«
    »Besonders, wenn einem die männliche Menopause zu schaffen macht.«
    »Jetzt werden Sie geschmacklos.«
    »Sie können doch nicht Ihre Menopause ignorieren, Dean«, spann Dr. Bonaccord ganz ernsthaft den Faden weiter. »Das ist ein rein physischer Zustand, den Strauss eher rührend in seiner Psychiatrie der modernen Welt beschrieben hat: >Das schwelende Feuer der endokrinen Drüsen, in dem von Zeit zu Zeit kleine, glühende Kohlestückchen aufleuchten, Funken versprühen und dann zu kalter Asche werden.<«
    »Diese Funken machen vermutlich Spaß«, bemerkte der Dean verdrossen.
    »Das Leben verliert seine Würze, seine Neuheit, seine Reize, nicht wahr?« Der Dean nickte. »Sehen Sie sich einmal an, wie Sie daliegen: angespannt, ein ruheloser Mensch, der sich immer weiter antreibt, ein Perfektionist, ehrgeizig, immer bemüht, die Kollegen zu übertreffen, übergewissenhaft, begierig, Verantwortung auf sich zu nehmen, müde, erschöpft.«
    »Genau.« Die Diagnose schien den

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