Wo geht’s denn hier ins Paradies?
Tränen, die in den Augen der jungen Patientin schimmerten. „Alles wird wieder gut“, sagte sie leise.
„Wenn Sie es sagen …“ Ellen zuckte leicht mit den Schultern. Dann aber straffte sie sich, mit der Rechten tastete sie zur Stirn und fragte: „Wie bin ich eigentlich hierher gekommen? Mir … mir war auf einmal so elend. So schwindelig … Die Party … Was war da los?“
Schwester Ute drückte beruhigend ihre Hand. „Sie hatten einen Schwächeanfall.“
„Die Kopfschmerzen … ich hab gar nichts mehr sehen können.“
„Deshalb wird gleich der Professor kommen und Sie durchchecken.“ Die Stimme der erfahrenen Pflegerin blieb ruhig. Dabei hatte Schwester Ute heißes Mitleid mit der jungen Frau. Hirntumor … das war eine grausame Diagnose. Und die Hoffnung, dass sich an den ersten Untersuchungsergebnissen nach Ellen Kaufmanns Einlieferung etwas ändern würde, war minimal.
Nachdem sie ein paar Schlucke getrunken hatte, sank Ellen erschöpft wieder ins Bett zurück. Alles ringsum drehte sich plötzlich vor ihren Augen. Schwester Utes Gesicht verschwamm zu einem hellen Fleck.
„Ich sehe kaum noch etwas“, flüsterte Ellen entsetzt.
Zum Glück erschien in diesem Moment Professor Freiberg. Ein paar höfliche Begrüßungsworte, ein aufmunterndes Lächeln, das Ellen gar nicht richtig wahrnahm, dann ordnete der Neurologe eine langwierige Untersuchungsreihe an. „Wir beginnen mit einem CT, dann die Laboruntersuchungen. Am Nachmittag dann das Team zu mir. Siebzehn Uhr.“
Die Visite war rasch beendet. Ellen merkte es kaum noch. Sie spürte nur einen dumpfen Druck im Kopf – und war froh, als die Schwester ihr eine Injektion verabreichte, die ihr die stärksten Schmerzen nahm.
Karsten wartete stundenlang darauf, dass Ellen sich anders besann – vergeblich. Der Stationsarzt sah ihn ebenso mitleidig an wie die Schwestern. Karsten kümmerte es nicht. Er wartete in der engen Nische am Ende des Flurs auf eine Nachricht von Ellen. Doch er wartete bis zum Abend vergebens. Dann endlich erbarmte sich Schwester Ute.
„Wir haben jetzt Schichtwechsel, Herr Gerhard. Sie sollten jetzt auch heim gehen.“
„Aber das kann ich nicht!“ Beinahe flehend sah er sie an. „Was ist mit Ellen? Was hat der Professor festgestellt?“
„Das … das darf ich Ihnen nicht sagen, und Sie wissen das genau.“
„Ich liebe Ellen! Sie ist die Frau meines Lebens!“
Schwester Ute schüttelte leicht den Kopf. „Das scheint sie ganz anders zu sehen, sonst hätte sie Sie ja wohl nicht weggeschickt.“
„Wir … wir haben ein paar Missverständnisse auszuräumen. Aber das ist doch jetzt unwichtig.“ Er griff nach Schwester Utes Hand. „Bitte helfen Sie mir.“
„Ich darf nicht.“ Mitleidig sah sie ihn an. „Nur so viel: Die Patientin wird wohl noch eine Weile hier bleiben müssen.“
Karsten sackte leicht in sich zusammen. „Also stimmt es“, flüsterte er. „Sie hat wirklich einen Tumor im Kopf.“
Die Schwester erwiderte nichts. „Gehen Sie heim“, riet sie leises. „Sie helfen ihr doch nicht, wenn Sie jetzt hier herumsitzen. Vielleicht morgen … vielleicht ist sie dann zugänglicher.“
„Danke. Ich danke Ihnen sehr.“
„Ich würde gern mehr tun.“ Schwester Ute fand den gut aussehenden Mann sehr anziehend. Und sie verstand nicht, dass Ellen in ihrer Situation die Liebe dieses tollen Mannes zurückwies. Aber das musste die Kranke wohl selbst wissen.
Schwester Ute, die in ihrem langen Berufsleben schon vielen Menschen begegnet war, die schon die ungewöhnlichsten Schicksale kennen gelernt hatte, hätte gern gewusst, warum dieses Paar sich zerstritten hatte. Auf ihrem Heimweg sinnierte sie noch eine Weile darüber nach. Zu Hause jedoch, wo eine vierköpfige Familie sie erwartete, wurden die Probleme fremder Menschen in den Hintergrund gedrängt.
Karsten hingegen dachte ununterbrochen an Ellen. Und er machte sich die heftigsten Vorwürfe. Warum nur hatte er sich immer wieder von Janine, diesem blonden Gift, verführen lassen?
Als er daheim eintraf, sah er sofort das Blinken des Anrufbeantworters.
„Hier ist Mimi“, hörte er eine angespannt klingende Stimme. „Was ist los? Was fehlt Ellen? Bitte ruf zurück, Karsten, egal, wie spät es ist.“
Noch drei dieser Anrufe waren auf dem Band. Und obwohl es beinahe zehn Uhr war, griff er zum Hörer und wählte Mimis Nummer, um ihr einen – wenn auch kargen – Bericht zu geben.
„Sie lässt nicht mit sich reden“, schloss er. „Sie hat mich
Weitere Kostenlose Bücher