Wo geht’s denn hier ins Paradies?
Lächeln wandte er sich an die fast siebzigjährige Schauspielerin. „Danke, Vera.“
„Immer wieder gern“, erwiderte die alte Dame, zog sich die Pelzstola ein wenig fester und nahm ihren Platz am Set ein.
Janine biss sich auf die Lippen. Am liebsten hätte sie laut losgeschrieen und ihrem Frust Luft gemacht, doch als sich kurz in die Runde sah, bemerkte sie niemanden, der so aussah, als wolle er ihre Partei ergreifen. Und Sven … na, mit dem war heute wirklich nicht gut Kirschen essen!
Mit betont lässiger Miene ging auch sie auf Position, die nächste Szene konnte ohne weitere Komplikation abgedreht werden.
Nach der Mittagspause wurde auf der Drehbühne eine Ballszene dargestellt. Zehn Komparsinnen in eleganter Abendrobe schwebten auf ihre Plätze, begleitet von befrackten Herrn.
„Nur gut, dass niemand das Mottenpulver riechen kann“, flüsterte eine junge Maskenbildnerin.
„Ja, diese Sachen aus dem Fundus sind nicht immer die reinste Freude“, stimmte ihr eine der Frauen zu. „Ich hätte auch lieber eins der neuen, extra entworfenen Kleider getragen. Claude hat sich da wirklich viel einfallen lassen mit seinem Team.“
„Das stimmt. Leider ist Ellen ja in den letzten Tagen ausgefallen. Dabei hat sie wirklich hervorragende Arbeit geleistet. Die meisten der Entwürfe für die Abendkleider sind von ihr. Das hat mir Claude selbst erzählt. Er hält Ellen für ein Ausnahmetalent – seine Worte.“
„Und jetzt ist sie krank.“
„Leider.“ Die junge Maskenbildnerin seufzte. „Wenn man nur wüsste, was sie hat! Aber alle schweigen sich aus.“
„Irgendwas im Kopf, hab ich gehört.“
„Ruhe!“
„Meine Güte, stellt euch doch nicht so an, als wären wir hier im Bochumer Schauspielhaus! Oder bei einer Hollywood-Produktion!“
„Wir machen unsere Arbeit genauso gut.“
„Darüber möchte ich lieber nicht diskutieren.“
„Snob.“
„Dilettantin!“
„Kinder, haltet Frieden!“, mahnte der Regieassistent. „Noch fünf Minuten, dann geht’s los.“
Er rückte Sven den Regiestuhl in die richtige Position, dann warteten alle auf das Erscheinen des Regisseurs und der vier Hauptdarsteller. Diese Ballszene war eine der wichtigsten der Serie. Eine ganze Woche lang sollte in der Dekoration gedreht werden.
Janine und Jonas kamen zum Glück rechtzeitig, hatten beide den Text in der Mittagspause nochmals rekapituliert. Und auch die anderen waren perfekt vorbereitet – der Drehtag ging ohne die geringste Schwierigkeit zu Ende.
Niemand bemerkte Karsten Gerhard, der kurz vor siebzehn Uhr in seinem Büro verschwand, ein paar Drehbuchänderungen ablieferte, kurz mit drei Co-Autoren sprach und dann schnell wieder das Studiogelände verließ.
„Meine Güte, der sieht aber mitgenommen aus“, stellte einer der Mitschreiber von „Teufel im Paradies“ fest.
„Die Krankheit von Ellen Kaufmann nimmt ihn mit. Sieht so aus, als hätte er sich ernsthaft in die Designerin verliebt.“
„Dabei munkelt man doch, dass er was mit Janine Rennard hat“, warf der Dritte ein.
„Das war mehr als ein Gerücht“, kam die zweifache Antwort.
„Na, ich weiß nicht … unser blondes Gift hat sich in diesem Fall verspekuliert, denke ich.“
„Manchmal ist das Schicksal nicht ganz gerecht – da hat eine Frau das Gesicht eines Engels, aber ihr Wesen … meine Güte, bei Janine hat der Teufel Pate gestanden.“
„Sie ist ein Biest, das stimmt, aber so schlecht, wie du sie jetzt hinstellst, ist sie auch nicht.“ Oliver Liewald, der das sagte, wurde ein wenig verlegen, denn er erinnerte sich an ein paar aufregende Nächte mit der jungen Schauspielerin. Mein Gott, wie hatte sie ihn verwöhnt!
Erst als klar wurde, dass er auf die Entwicklung der Serie keinen Einfluss hatte, sondern die Storyline ausschließlich bei Karsten Gerhard lag, hatte sie ihn fallen lassen wie eine heiße Kartoffel. Und dennoch … er verdankte ihr ein paar höchst erotische Erlebnisse!
„Hört, hört! Der Fachmann spricht!“
„Wärt ihr doch auch gern, oder?“ Augenzwinkernd sah er die Mitschreiber an.
„Es hat alles seine Vor- und Nachteile. Ist aber müßig, jetzt noch darüber zu reden. Janine wird weiterhin bei jedem, von dem sie sich was verspricht, ihre Netze auszuwerfen versuchen. Und wir … wir werden mehr oder weniger erfolgreich von Liebe, Leidenschaft und der Raffinesse der Frauen schreiben.“
„Dein Wort in Gottes Gehörgang! Also – an die Arbeit, Jungs!“ Lachend trennten sie sich.
Unterdessen war die
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