Wo geht's hier nach Arabien
Alexandria erst am 18. Februar erreichen.
Ãgypten war zu diesem Zeitpunkt ein Land in groÃen Schwierigkeiten. Das Land mit seinen fünf Millionen Einwohnern (so viel hat heute ein mittleres Stadtviertel in Kairo) war eine osmanische Provinz und hoch verschuldet. Um die drohende Pleite abzuwenden, hatte man sogar den Suezkanal an die Engländer verkauft. Der ägyptische Landesherr trug den Titel » Khedive« und hieà zur Zeit von Rudolfs Reise Tawfiq. Ohne mit dem späteren Mubarak verwandt zu sein, waren schon Tawfiqs Vater und GroÃvater Weltmeister in Korruption und Verschwendung. Dem Volk gefiel das gar nicht, und es kam immer wieder zu Aufständen. Also holte sich Tawfiq Hilfe in Europa. Britische Truppen kamen ins Land, und bald herrschte wieder Ruhe. Doch schon ein paar Monate nach Rudolfs Abreise brach erneut eine blutige Revolution aus.
Die Ãgyptenfahrt des Habsburgerprinzen hatte keine politischen Hintergründe. Jagen und pilgern wollte er, na ja, eigentlich lieber jagen als beten, obwohl er dem SchieÃen an sich gar nicht so zugetan war. Das hatte mit seiner Erziehung zu tun. Als einziger Sohn von Sisi und Kaiser Franz Joseph (es sind hier wohlgemerkt nicht Romy Schneider und Karlheinz Böhm gemeint, sondern die echten) galt es, ihn für die Thronfolge vorzubereiten.Als zukünftiger Kaiser bekommt ein Kind kein Bilderbuch oder bürgerliches Holzspielzeug, sondern eine militärische Ausbildung. SchlieÃlich war Rudolf im Moment seiner Geburt schon Erzherzog, Oberst und Chef eines Infanterieregiments. Sein persönlicher Erzieher weckte das kaiserliche Kleinkind mit eiskalten Wassergüssen und gerne mit einem Schuss aus der Pistole. Neben unzähligen anderen Schreckensmethoden musste Rudolf als Sechsjähriger auch oft stundenlang im Schneesturm exerzieren, selbstverständlich in akkurat sitzender Uniform. Doch der Erziehungsplan der k. u. k.-Supernanny ging nicht auf.Aus dem Kronprinzen Rudolf wurde kein harter Militarist, sondern ein sensibler Prinz, der sich für die Natur interessierte.
Als anerkannter Vogelkundler schrieb er sogar für Brehms berühmtes Tierleben mehrere Artikel. Rudolf umgab sich gerne mit Wissenschaftlern, und so engagierte er als seinen Reiseleiter den Berliner Archäologen Heinrich Brugsch, der in ägyptische Dienste getreten war. Brugsch selbst war von der Aufgabe als Tourguide in Kaisers Diensten nur halbwegs begeistert, da er immer gerufen wurde, wenn Adelige in Ãgypten unterwegs waren. Und es waren ständig Adelsgesellschaften in Ãgypten unterwegs. Fürst von Pückler-Muskau, Kronprinz Friedrich Wilhelm von PreuÃen, Rudolfs GroÃvater Herzog Maximilian in Bayern, Rudolfs Vater Kaiser Franz Joseph I., der gesamte europäische Adel kam mit Kind und Kegel nach Ãgypten, um auf dem Nil herumzusegeln oder die Altertümer zu bestaunen. Und natürlich wollten sie alle etwas Besonderes erleben. RegelmäÃig holten die Kammerdiener den armen Brugsch aus seinem Professorenschlaf, weil wieder irgendein Blaublut genau um Mitternacht in die Gruft eines Pharao hinab- oder auf die Pyramide hinaufsteigen wollte. Es war die Zeit der letzten groÃen Kavalierstouren, so hieÃen die standesgemäÃen Bildungsreisen der Prinzen und zukünftigen Throninhaber.
Sie wurden in die Welt hinausgeschickt, um fremde Sitten kennenzulernen und in der Ferne zu erkennen: Daheim ist es doch am schönsten.
Rudolf interessiert sich für die Natur. Im heutigen Verständnis versteht man unter dem wissenschaftlichen Erforschen von Vögeln stundenlanges Beobachten und regungslose Warterei. Dem jungen Adeligen ist das viel zu langweilig. Beobachten ja, aber dann muss es knallen. So sind auch Rudolfs Erinnerungen Eine Orientreise eher ein Jagdtagebuch als ein Reisebericht: » Alles mögliche Wild kam vorbei, einiges wurde erlegt; der Zug war lohnend und man brauchte von einem Schuà zum andern nur sehr kurze Zeit zu warten; auch Graufischer, jene vergröÃerte, aber verschlechterte Auflage unseres Eisvogels, wurden erbeutet, leider kein Pelikan.«
Die Zeiten ändern sich. Wir erhaschen heute beim abendlichen Spaziergang in Ãgypten höchstens unbrauchbare Souvenirs, Rudolf von Ãsterreich machte richtig fette Beute: » Ich unternahm gegen Abend einen Rundgang um die ganze Küste herum, erlegte hierbei einen schönen Berberfalk und einige Strandvögel sowie einen Kolkraben.«
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