Wo geht's hier nach Arabien
für den sportlichen Nachruhm eine matte Sache. Daher läuft der ehrgeizige Hobbysportler, wir nennen ihn der Diskretion halber Heini Schnell, seine 40 Kilometer durch die Sahara oder ums Tote Meer.
Genau genommen beträgt die olympische Strecke 42,195 Kilometer und soll die Entfernung symbolisieren, die ein Bote von dem griechischen Flecken Marathon nach Athen gespurtet ist. Es ist 490 vor Christus, und die Perser treffen sich zum Kampf mit den Athenern. Athen gewinnt, die Siegesnachricht soll sofort überbracht werden, der Bote läuft los und bricht nach erfolgter Meldung tot zusammen. Das allein sollte allen Pedestrianisten, wie die Läufer vor 100 Jahren noch hieÃen, Abschreckung genug sein. Eine Aktion, bei der der Erfinder qualvoll verstorben ist, mit Begeisterung nachzuahmen, ist so unsinnig wie unbegreiflich. Hätte der griechische Bote Auto, Motorrad oder ICE zur Verfügung gehabt, nie wäre er auf den Gedanken gekommen, bei 40 Grad im Schatten mit durchgelatschten Schlappen die Strecke nach Athen zu laufen.
Die Wüstenmarathons sind ausgebucht. Während ein Profiläufer höchstens zwei Marathons im Jahr absolviert, um seinen Körper nicht zu schädigen, läuft Heini Schnell, was der Geldbeutel hergibt. Neben den internationalen Stadtmarathons, die es von Rom über Hongkong bis nach New York gibt, stehen die Extrem-Marathons hoch im Kurs. Der Nordpol-Marathon bei 30 Grad minus, der Unter-Tage-Marathon in einem verlassenen Bergwerksschacht (inklusive Helmpflicht) bei 30 Grad plus. Nicht zu vergessen der Everest-Marathon und der Ãtzi-Marathon. Und weil Besessene auch manchmal Kinder haben, wird beim Sahara-Marathon neben der Volldistanz noch ein » Children Race« angeboten. Man kennt das von IKEA: Wo der Wahnsinn tobt, gibt es auch ein Kinderparadies.
Die Startgelder schrauben sich bis zu 20 000 Euro in die Höhe, aber wer mitläuft, läuft meistens für einen guten Zweck. SchlieÃlich wird die eigene physische Gesundheit durch die endlose Lauferei so beeinträchtigt, dass man später ohnehin auch in eine Gruppe Pflegebedürftiger fällt.
Längst gibt es Reiseveranstalter, die sich dem Sportler-tourismus verschrieben haben. Dort bucht Heini Schnell. Im Frühjahr geht es zum » Dead Sea Ultra Marathon« nach Amman, der Hauptstadt Jordaniens. » Ultra« deswegen, weil man anstatt der Originaldistanz gleich volle 50 Kilometer laufen muss. SchlieÃlich soll der Zieleinlauf auch im Mövenpick-Hotel stattfinden und nicht an irgendeiner staubigen Wüstenkreuzung, bloà weil man pedantisch genau die historische Entfernung einhalten will.
Jordanien ist ein Königreich britischer Prägung. Da es traditionsgemäà in arabischen Königsgeschlechtern von Prinzen nur so wimmelt, findet man jedes Jahr einen würdigen monarchischen Vertreter, der den Startschuss gibt.
Wer in unvorstellbarer Hitze durch den Sand laufen möchte, könnte das zwar auch im Juli in Rimini machen, aber das Besondere an der jordanischen Strecke ist das Ziel: das Tote Meer. Nur hier kann Heini Schnell zum tiefsten Punkt der Erde laufen. Damit die ersten Läufer nicht schon nach dem ersten Abendessen mit Brechdurchfall ausscheiden, gibt es nach der Ankunft im Sternehotel keine jordanische Kost, sondern bekömmliches Schnitzel oder Pasta. Heini Schnell wird am nächsten Tag geweckt, es ist 3 Uhr früh. Er schmeiÃt sich in seine weltraumgetesteten, mikrofasergeflochtenen, windabweisenden, schweiÃdurchlässigen Weltbürgerlaufshirts und schlüpft in seine bereits beim Kalaharimarathon erprobten Stinkeschuhe mit Luftpolsterfersenschaumdings. Er steigt, das hat er sich von Profis abgeschaut, in einen blauen Müllsack, in den er sich zu Hause schon Löcher für Arme und Beine geschnitten hat. Das soll gut sein gegen Auskühlung vor dem Start. Hoheit schieÃt, und los geht es. Der Müllsack muss leider als Plastikabfall zurückbleiben. Für die ersten 20 Sekunden ist Heini Schnell noch ergriffen von dem Gefühl, auf historischem Boden zu laufen. Hethiterkönige und Pharaonen zogen hier durch, Jesus und Johannes der Täufer waren in der Nähe, Arafat schmiedete hier Kriegspläne. Doch sehr, sehr bald geht es im Läuferhirn um Pulsfrequenz, Zuckerhaushalt und heruntergeschwitzte Sonnencreme. Im Gegensatz zu Manhattan, wo die New Yorker UNO zwischen Bronx und Brooklynbridge ständig isotonische Getränke am
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