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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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Eintrittspreis in den heimischen Tierpark und filmt das Kamel kostengünstiger, weil » all inclusive«, am Strand, bestenfalls vom Hotelbalkon. Der Profi heuert in Marokko zwar auch Kamele, aber in erster Linie billige Komparsen an, die nicht wie ihre deutschen Kollegen ständig wehleidig nach Gewerkschaft und arbeitsrechtlichen Bedingungen schreien und nach einem halben Drehtag in der Massenszene gleich auf eine Hauptrolle pochen. Sönke Wortmann ist nun nicht bekannt für Wüstenkrimis oder erotische Haremsabenteuer. Er liebt Fußball. Und das ist im Sand meistens eine mühselige Angelegenheit. Deswegen hat Sönke Wortmann Das Wunder von Bern und Deutschland. Ein Sommermärchen über die Fußballweltmeisterschaft, die wir dann zum Glück doch nicht gewonnen haben, in der Heimat gedreht. Es hat lange gedauert, bis er wusste, wie man berühmt wird. Brav hat er das Klischee vom Filmkünstler erfüllt und war vor Beginn seiner steilen Karriere Taxifahrer und Soziologiestudent. Inzwischen hat er sämtliche Filmpreise in Gold, Silber, Hellblau und allen anderen Farben, die ganzen Bambis, Bären, Panther, diese ehrwürdigen Porzellanscherben und Blechlawinen, mit dem man ihn zugeschüttet hat, zu Hause stehen. Sogar den Bundespräsidenten durfte er wählen, als Wahlmann für die Grünen aus Nordrhein-Westfalen– also hat er ihn nicht gewählt.
    Wenn ein Mann es nie schafft, sich frühmorgens die Haare aus dem Gesicht zu rasieren, bevor er zur Arbeit geht, wird er nicht Schauspieler, sondern meistens Regisseur. Sönke Wortmanns gepflegter Vierdreivierteltagebart macht aber noch keinen Film, ein sogenannter » Stoff« muss her. Wir Laien denken da an Großartiges, meist an Historienschinken, Sex and Crime, oder beides zusammen, also Marie Antoinette heimlich am FKK-Strand gefilmt, Hannibal und seine Elefanten bei der Rast in Garmisch-Partenkirchen, die drei Musketiere Napoleon, Berlusconi und Sarkozy planen einen Zwergenaufstand etc. Nein. Sönke Wortmann hält den Ball flach, ihm genügen ein männlicher Schauspieler, der sich aufgrund seines mangelnden Schauspielkönnens ausziehen muss, und ein simpler Küchentisch, auf den sich der Erwähnte hockt. Fertig ist der bewegte Mann, jene unglaublich erfolgreiche Werbekampagne für ein Potenzmittel für Zuchtbullen. Aber dann holt ihn doch der Historienschinken ein: Die Päpstin. Der Titel verrät schon die ganze Geschichte. Es geht darum, dass im frühen Mittelalter plötzlich eine Frau auf dem Papststuhl sitzt. Mit dieser Verschwörungstheorie, die sämtlichen Kardinälen Angstschweiß und Zornesröte ins Gesicht treibt, bekommt man natürlich keine Drehgenehmigung hinter den Mauern des Vatikans. Wenn sich ein Buch millionenfach verkauft, wird es meistens verfilmt. So auch hier. Aber da ist dann die Sache mit den Regieanweisungen. Die Päpstin spielt im Mittelalter, da muss der Schlamm auf den Straßen stehen, der Dreck an den Fassaden kleben. Dafür gibt natürlich kein deutscher Oberbürgermeister freiwillig seine schmucke Altstadt her. Die Fußgängerzone gerade frisch renoviert, die moderne Kunst gegen die spießbürgerlichen Widerstände endlich am Rathausplatz aufgestellt, das darf jetzt nicht alles mit Filmarbeiten zerstört werden, die noch vor Drehbeginn tonnenweise Dreck in der Stadt verteilen. Also geht Sönke Wortmann dorthin, wo es keinen stört, nach Marokko.
    Genauer nach Warzazate, einer Ortschaft hinter dem Atlasgebirge, die Sahara ist in Sichtweite. Früher hauste dort niemand, dann Beduinen, dann die Fremdenlegion, jetzt die » Atlas Corporation Studios«, das Hollywood Nordafrikas. Im August hat es über 40 Grad im Schatten, dafür regnet es so gut wie nie, und sonnige Filmtage können vertraglich garantiert werden. Der Gladiator, Lawrence von Arabien, Jesus von Nazareth, Asterix und Kleopatra, kurzum jede Filmcrew, die für ihren Streifen etwas Sand unter den Sandalen braucht, strandet irgendwann in den Filmhallen des marokkanischen Multimillionärs Mohammad Belghmi. Praktischerweise gehört diesem Mann eine Hotelkette. Offenbar fiel im » Touri«-Geschäft so viel Bakschisch ab, dass er ab 1983 in der staubigen Wüste Filmhallen aufbaute, deren Sanitäranlagen luxuriöser ausgestattet sind als die in durchschnittlichen marokkanischen Haushalten. Seitdem war schon so mancher Berberkopf aus der

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