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Wo geht's hier nach Arabien

Titel: Wo geht's hier nach Arabien Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christian Springer
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daraus wieder Chemnitz wurde. Man stelle sich vor, aus einfältiger Begeisterung heraus gäbe es in Zukunft Umbenennungen von sittsamen Ortschaften in Kohlbach, Merkelitz und Niederschäubling, wobei die Vorschulkinder in das Stoiberheim zu schicken wären.
    Marx selbst hat von derlei Auswüchsen zum Glück nichts mehr mitbekommen. Selbst die ersten kleinen sozialistischen Erfolge waren ihm nicht mehr vergönnt. Als seine Frau Jenny, mit der er fast 40 Jahre lang verheiratet war, im Dezember 1881 nervenkrank starb, war er bereits am Ende. Geld war nie genug im Haus, die Gesundheit ruiniert. Dann kam auch noch sein Freund und Bruder im Geiste Friedrich Engels, um ihn mit Algerien zu nerven. Aber Marx wollte nicht nach Afrika, sondern nach Paris zu seiner Tochter.
    Aber Engels lässt nicht locker. Die chronische Bronchitis müsse auskuriert werden, und zwar jetzt gleich, und Karl sei mit 63 auch nicht mehr der Jüngste, die Ärzte sagten das auch alle. Und außerdem: Der Winter hier in London sei beschissen, schau zum Fenster raus.
    Ja, aber wohin? In Italien drohe die Verhaftung, Spitzel seien überall, schon vor der Haustür stelle man ihm nach.
    Nach Algier. Und zwar allein. Er solle in die Zeitungen schauen, da stünde es schwarz auf weiß, Algier sei der beste Luftkurort überhaupt, das Seeklima großartig. Algerien sei inzwischen die » Winterresidence of Great Britain«. Also gut.
    Ãœber Paris fährt der gebeutelte Intellektuelle an die französische Südküste, um mit der » Said« überzusetzen. Zwei Nächte hat er nicht geschlafen, das wird sich auch nicht ändern. Winterstürme fegen über Deck, die Eiseskälte kriecht durch jede Ritze. Auf der Fahrt in die Genesung erkältet sich Karl Marx erneut und kommt kränker in Algier an, als er vorher schon war. Um halb vier Uhr morgens hält das Schiff vor der Stadt. Das alte Hafenbecken ist nicht tief genug. Also umsteigen in wackelige Schaluppen, und im Wettrennen der arabischen Ruderer geht es an Land. Aus dem Plan, geruhsam an der Corniche unter den Palmen zu wandeln, dabei die wärmende afrikanische Winterluft in die angegriffene Brust zu atmen, wird nichts. In dem vermeintlichen Luftkurort herrschen die kältesten Temperaturen des ganzen Winters, auf den entfernten Bergen liegt dick der Schnee, der Husten wird schlimmer.
    Um Geld zu sparen, zieht Karl Marx vom Hotel in eine kleine Pension, mit sechs Gästen ist das Haus ausgebucht. Es liegt an einem steilen Hang etwas außerhalb der Altstadt. Der herrliche Blick von dort oben auf die Bucht von Algier taugt für den Reiseprospekt, allerdings wäre dort wie so oft nicht erwähnt, dass keine befestigte Straße hinaufführt. An seinen Freund Engels schreibt er: » Schlaflos, appetitlos, starker Husten, etwas ratlos, nicht ohne hier und da Anwandlungen einer profunda melancolia.«
    Wie soll man da gesund werden! Einziger Ansprechpartner ist Dr. Stephann. Mit seinen kaputten Bronchien muss Marx die steilen Schlammwege in die Stadt hinuntersteigen, um sich dann die üblichen guten Ratschläge abzuholen: Spaziergänge, Ruhe, dann wieder Spaziergänge und hinterher noch einmal Ruhe. Damit neben diesen Billigratschlägen auch was am Patienten verdient wird, gibt es ein Rezept: Zugpflaster, Arsenpulver, Collodion Cantharidal (mit Pinsel aufgetragen), etwas Kodein, und dann eben wieder Ruhe und Spazierengehen. Um es kurz zu machen, Marx wird in Algerien nicht gesund.
    Damit ihm nicht die Decke auf den Kopf fällt, erkundet er die Stadt und macht Ausflüge, soweit es der Geldbeutel erlaubt. Engels schickt ihm ab und zu Geld. Marx sieht sich um in der Stadt, über die beide schon gearbeitet haben. Engels schrieb schon 1857 für ein Lexikon den » Algerien«-Artikel. Natürlich ging es um die Grausamkeiten der Kolonisation. Die Zeitungen der großen Nationen hatten überall auf der Welt ihre Korrespondenten verteilt. Dampfschiffe und Telegraphenleitungen verbreiteten die Ereignisse so schnell wie noch nie zuvor, man wusste aktuell Bescheid, wie es zuging auf der Welt. Und das hieß: Krieg, Gemetzel, Einmarsch und Aufstand, Unterdrückung und Ausbeutung so weit das Auge reicht.
    In Algerien waren sie alle, die Römer, die Vandalen, die Spanier, 1815 sogar die Amerikaner, und am 13. Juni 1830 marschieren über 40 000 Franzosen ein und bleiben für die nächsten 132 Jahre. Marx war bekannt, dass

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