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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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ihnen ermöglichte, im Informationsfluss innerhalb des Instituts vorhandene Muster herauszuarbeiten. Die Gesprächsmitschnittewurden etwa als »Präzisierung«, »Übereinkunft und Ausarbeitung« oder »Frage« klassifiziert. Noch wichtiger war jedoch, dass Dunbar auch die konzeptionellen Richtungswechsel dokumentierte, die im Verlauf der einzelnen Projekte auftraten: Wenn beispielsweise ein Laborant ratlos vor dem Problem stand, ein verlässliches Kontrollergebnis für seine Versuchsreihe zu erzielen, und ihm plötzlich der Gedanke kam, dass genau dieses Problem der Ausgangspunkt für eine neue Versuchsreihe sein könnte, oder wenn zwei Mitarbeiter sich über ihre Projekte unterhielten und plötzlich eine wichtige Verbindung zwischen den Projekten entdeckten.
    Die verblüffendste Erkenntnis von Dunbars Studie jedoch war der Ort, an dem die wichtigen Durchbrüche zumeist erzielt wurden. Bei einer Disziplin wie der Molekularbiologie stellen wir uns unwillkürlich Wissenschaftler in weißen Kitteln vor, die einsam im Labor durch ein Mikroskop blicken und dort auf eine sensationelle Entdeckung stoßen, doch Dunbars Studie zeigte, dass solche einsamen Heureka-Momente höchst selten sind. Stattdessen kamen die meisten wichtigen Ideen während ganz normaler Besprechungen zustande, bei denen die Mitarbeiter zwanglos zusammenkamen und über den Verlauf ihrer Arbeit sprachen. Wenn man den Weg betrachtet, den Ideenbildung laut Dunbars Studie beschreitet, ist der Ursprung von Innovation nicht das Mikroskop, sondern der Besprechungsraum.
    Dunbars Arbeit förderte ganz bestimmte Arten von Informationsaustausch zutage, die während solcher Unterhaltungen regelmäßig zu wichtigen Durchbrüchen führten. Die Gruppensituation erleichterte es, kniffelige Probleme mit neuen Augen zu sehen, weil die Fragen der Kollegen dem betreffenden Mitarbeiter halfen, sein Experiment aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Aufgrund der Gruppeninteraktion sahen sich die Forscher angehalten, genauer über nicht ins Schema passende Ergebnisse nachzudenken,statt sie als Fehlschläge oder Messfehler abzutun. In Gruppengesprächen zur Problemlösung, schreibt Dunbar, »wurde das Ergebnis der Überlegungen des einen Kollegen zum Ausgangspunkt der Überlegungen eines anderen … was zu wichtigen Änderungen bei der Vorgehensweise in dem Forschungsprojekt führte«. Nützliche Parallelen zwischen den verschiedenen Einzelprojekten tauchten am wahrscheinlichsten in der Gesprächssituation während der Laborbesprechungen auf. Dunbars Studie lässt die einigermaßen beruhigende Schlussfolgerung zu, dass selbst inmitten all der Hightech eines großen Molekularbiologie-Instituts das produktivste Werkzeug zur Erzeugung guter Ideen immer noch ein Tisch ist, an dem eine Handvoll Menschen beisammensitzt und fachsimpelt. Die Laborbesprechungen schaffen eine Umgebung, die Neukombinationen ermöglicht, in der Informationen von einem Projekt auf das andere überspringen können. Wenn Sie alleine in Ihrem Büro vor sich hinarbeiten wie der Wissenschaftler aus dem Klischee, kann es leicht passieren, dass Ihre Ideen auf der Stelle treten und sich nicht weiterentwickeln können. Erst der Austausch innerhalb einer Gruppe macht aus dem Festen, Unbeweglichen ein flüssiges Netzwerk.
    Die produktiven Laborbesprechungen aus Dunbars Studie erinnern uns daran, welch befruchtende Wirkung die physische Beschaffenheit der Arbeitsumgebung auf unseren Geist und damit auch auf die Qualität unserer Ideen haben kann. Die schnellste Art, ein flüssiges Netzwerk trockenzulegen, ist, die Menschen hinter geschlossenen Türen in Einzelbüros zu stecken, was einer der Gründe ist, weshalb so viele Unternehmen des digitalen Zeitalters ihre Arbeitsumgebungen um offene Gemeinschaftsräume arrangieren, wo Menschen sich zwanglos begegnen und der Austausch zwischen den Abteilungen auch ohne eigens anberaumte Besprechungen gewährleistet ist.In einem im
New Yorker
erschienen Essay bezeichnete Malcolm Gladwell diesen Trend als »West-Villageisierung« des althergebrachten Einzelbüros. Dabei sollte man es allerdings auch nicht übertreiben. Die richtige Balance zwischen Ordnung und Chaos ist, worauf es ankommt. Inspiriert durch den anfänglichen Hype um Telearbeitsplätze, experimentierte die Werbeagentur TBWA\Chiat\ Day mit »ortsungebundenen« Büros. Schreibtische, Wandschirme und überhaupt jede Form von abgetrenntem Büro wurde praktisch abgeschafft, die Mitarbeiter hatten keinen festen

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