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Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)

Titel: Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steven Johnson
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Netzwerke neuer Ideen einzutauchen?
    Im privaten Umfeld lässt sich Serendipität auch mithilfe der modernen Technik kultivieren. Seit über zehn Jahren führe ich ein digitales Privatarchiv mit interessanten Zitaten und Textauszügen, eine Art Kollektaneenbuch des 21. Jahrhunderts also. Manche Passagen stammen aus intensiven Nachforschungen zu einem bestimmten Projekt, andere sind eher Zufallsentdeckungen, Ahnungen, die darauf warten, sich zu verknüpfen. Wieder andere sind Exzerpte aus Büchern und Artikeln oder Internetseiten. Mit Google Books und Kindle ist es in den letzten Jahren viel einfacher geworden, wichtige Passagen aus Büchern zu kopieren. All diese Textschnipsel archiviere ich mit einem Programm namens DEVONthink, und dort lege ich auch alles ab, was ich selbst geschrieben habe: Kapitel, Aufsätze, Blogeinträge und Notizen. Und weil ich meine eigenen Schriften mit Auszügen aus anderen Werken kombiniere, ist diese Sammlung weit mehr als nur ein Ablagesystem. Sie ist eine digitale Erweiterung meines unvollkommenen Gedächtnisses, ein Archiv, das alle meine alten Ideen enthält und Ideen anderer, die mich beeinflusst haben. Mittlerweile finden sich dort über fünftausend Einträge, bestehend aus mehr als drei Millionen Wörtern, was dem Inhalt von etwa sechzig Büchern entspricht – Zitate, Fragmente und Ahnungen, die ich im Lauf der Zeit angesammelt habe, alles in einer einzigen Datenbank. Diese Methode bietet nicht nur den quantitativen Vorteil der Zeitersparnis.Wenn ich einen Artikel suche, den ich vor Jahren geschrieben habe, finde ich ihn tatsächlich viel schneller wieder, aber es gibt auch einen qualitativen Vorteil: Ich stoße auch auf Texte, die ich vollkommen vergessen hatte, von denen ich nicht einmal wusste, dass ich sie suche. Die Methode fördert Serendipität, und das ist es, was sie so unglaublich nützlich macht.
    DEVONthink arbeitet mit einem ausgefeilten Algorithmus, der auch subtile semantische Gemeinsamkeiten zwischen verschiedenen Textpassagen findet. Derartige Tools leiden nicht unter der Schwäche, wie andere Suchmaschinen viel zu spezifische Ergebnisse auszuspucken. Sucht man beispielsweise nach dem Begriff »Hund«, gehen einem alle Seiten durch die Lappen, auf denen statt Hund »Vierbeiner« steht. Moderne Indizierungssoftware ist in der Lage, anhand der Häufigkeit, mit der bestimmte Begriffe nebeneinander auftauchen, einen inhaltlichen Zusammenhang zwischen ihnen herzustellen. Daraus können geradezu lyrische Verknüpfungen entstehen: Vor einigen Jahren schrieb ich an einem Buch über die Cholera-Epidemie in London und suchte mit DEVONthink nach Informationen über das Abwassersystem im viktorianischen England. Die Software hatte festgestellt, dass das Wort »waste« (dt.: Abfall) oft im Zusammenhang mit »sewage« (dt. hier: Entsorgung) vorkommt, und mich zu einem Abschnitt weitergeleitet, in dem erklärt wird, wie Wirbeltiere Knochen aufbauen, nämlich indem sie das als Abfallprodukt des Zellstoffwechsels anfallende Kalzium wiederverwerten. Was zunächst wie ein falsches Suchergebnis aussah, erwies sich als Ausgangspunkt einer langen und ergiebigen Recherche darüber, wie komplexe Systeme – seien es Organismen oder Großstädte – den Abfall weiterverwerten, den sie produzieren. Daraus wurde schließlich der Aufhänger für ein ganzes Kapitel, und auch in diesem Buch taucht das Thema in abgewandelter Form wieder auf.
    Wer hatte nun die Ausgangsidee: ich oder die Software? Das mag wie eine Scherzfrage klingen, aber ich meine es ernst. Natürlich haben Computer keine Ideen, ich war es, der den Zusammenhang zwischen dem Abwassersystem Londons und dem Stoffwechsel von Zellen herstellte. Aber ich bezweifle, ob mir die Verbindung auch ohne die Hilfe der Software aufgefallen wäre. Die Idee entstand also aus einer Zusammenarbeit von zwei sehr verschiedenartigen Intelligenzen, die eine kohlenstoffbasiert, die andere auf Silizium. Als ich den Textauszug über die Rolle des Kalziums bei der Knochenbildung zum ersten Mal las, hatte ich keine Ahnung, dass sich eines Tages eine Verbindung zum Abwassersystem Londons ergeben würde, geschweige denn zu einem Buch über Innovation. Doch irgendetwas daran faszinierte mich so sehr, dass ich die Passage in mein elektronisches Archiv aufnahm. Dort schwamm sie jahrelang in der »Ursuppe« der Software und wartete als langsame Ahnung darauf, verknüpft zu werden.
    Ich nutze die Software auch zum Improvisieren. Wenn ich einen Absatz zu einem

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