Wo gute Ideen herkommen.: Eine kurze Geschichte der Innovation. (German Edition)
Zufällig entdeckte Spuren und spontane Assoziationen lassen sich weit einfacher und um ein Vielfaches schneller verfolgen, als dies mit den althergebrachten Medien möglich war. Das Problem hierbei ist, dass das Netz zu viel »Rauschen« erzeugt, zu viel Chaos, weshalb die oben erwähnten Filter erfunden wurden. Es gibt sie, weil das Netz zu vielfältig ist und zu viele Überraschungen birgt, nicht zu wenige.
Ich persönlich glaube, dass das Internet Serendipität in unserer Alltagskultur fördert: Für viele Menschen ist es mittlerweile ganz normal, im Netz nach Informationen zu surfen, weil dort mehr Serendipität möglich ist, als Printmedien, Radio und Fernsehen jemals bieten konnten. Doch ganz egal, ob man nun glaubt, der durchschnittliche Medienkonsument würde dank des Internets mehr interessante Zufallsentdeckungen machen oder nicht, an einem gibt es keinen Zweifel: Für Menschen, die aktiv nach Serendipität suchen, ist das World Wide Web das Medium. Wer sich täglich in den verschiedensten Bereichen auf dem Laufenden halten will, braucht sich nur einen RSS-Feed oder entsprechende Lesezeichen einzurichten. Das dauert nur wenige Minuten, kostet nichts und lässt sich bequem zuhause von der Couch aus erledigen. Außerdem lässt sich das Web hervorragend nutzen, um Wissenslücken in einem neu entdeckten Thema zu füllen. Google, das große Orakel des digitalen Zeitalters, wird oft als Serendipitätskillerangeführt, weil die Suchfunktion als On-demand-Filter 99,999 Prozent aller Inhalte ausblendet, die für die Suchanfrage nicht relevant sind. Wenn Kritiker Google als Filter bezeichnen, gehen sie davon aus, dass die meisten Suchanfragen aus der Motivation entstehen: »Ich interessiere mich für x und möchte mehr darüber wissen.« Zweifellos trifft das auf eine große Zahl von Google-Anfragen auch zu, aber es gibt auch andere à la: »Ich habe gerade zufällig etwas aufgeschnappt, von dem ich nicht einmal wusste, dass es existiert. Aber es klang interessant. Mal sehen, was ich dazu finde.« Das ist die Art, wie Google auf subtile Weise die serendipitösen Aspekte des Internets unterstützt. Zugegeben, Voraussetzung für eine solche Suchanfrage ist, dass der Nutzer bereits eine bestimmte Absicht verfolgt (was auch der Grund ist, weshalb Internetpionier John Battelle das Web »die Datenbank der Absichten« nennt).
Diese Absicht steht meist in direktem Zusammenhang mit einer ganz konkreten Frage. Wir hören, wie jemand von den Gedichten John Ashberys, der Fernsehserie Mad Men oder der Schlange Uroboros erzählt, und denken: Klingt interessant. Was ist das? Stellen Sie sich vor, sie blättern eines Morgens im Jahr 1980 in der Zeitung und stolpern über einen Artikel zu einem neu entdeckten Phänomen namens »globale Erwärmung«. Sie lesen den Artikel und wollen mehr über einen möglichen bevorstehenden Klimawandel wissen. Wie gehen Sie vor? Schalten Sie den Fernseher an und hoffen, dass zufällig gerade eine Dokumentation zu dem Thema läuft? Gehen Sie zur nächsten öffentlichen Bibliothek und fragen nach einem Buch zu dem Thema, oder durchsuchen Sie die Inhaltsverzeichnisse sämtlicher Zeitschriften, die Sie zuhause haben? Angenommen, Sie haben selbst eine recht umfangreiche Bibliothek, zu der auch eine für damalige Verhältnisse brandaktuelle Ausgabe der Encyclopædia Britannica aus dem Jahr 1976 gehört.Zur Klimaerwärmung würden Sie dort aber erst in der Ausgabe von 1994 etwas finden, obwohl das Wort schon seit Anfang der 1990er in aller Munde war.
Heute würden Sie bei Google oder Wikipedia »globale Erwärmung« eingeben, und innerhalb von Sekundenbruchteilen hätten Sie mehr Information (und mehr unterschiedliche Anschauungen) zu dem Thema, als in einem Nachschlagewerk der 1980er überhaupt vorstellbar war. Es stimmt zwar, dass die Informationen aus dem Netz speziell auf Ihre Suchanfrage zugeschnitten und somit gefiltert sind, aber Ihr Interesse an dem Thema ist nicht selten aus einer zufälligen Begebenheit heraus geboren, mehr eine Ahnung als eine Passion. Und weil die Seiten, die Google ausspuckt, alle durch Hyperlinks verbunden sind, können schon wenige Klicks Sie in ganz neue Regionen bringen, die zu besuchen Sie nie vorhatten. Google und Wikipedia geben diesen flüchtigen Ahnungen einen Anker, an dem Sie festmachen und von dem aus Sie ein neues Wissensfeld erkunden können. Hinweise und zufällig Aufgeschnapptes werden zu Information. Zu Zeiten des Kollektaneenbuchs war die beste Art,
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